Folterkammern des IS IS-Terrorist wegen Folter und Mordes in Düsseldorf vor Gericht
Düsseldorf · Nils D. aus Dinslaken ist bereits als IS-Terrorist zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Mit Mord und Folter habe er nichts zu tun gehabt, hatte er beteuert. Das sieht die Bundesanwaltschaft inzwischen anders.
Dem IS-Terroristen Nils D. aus Dinslaken droht lebenslange Haft. Von diesem Mittwoch an steht der 29-Jährige zum zweiten Mal vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht. Nun werden ihm Kriegsverbrechen und Mord zur Last gelegt, begangen in einem Gefängnis des Islamischen Staats in Syrien.
Der ehemalige islamistische Kämpfer der berüchtigten „Lohberger Brigade“ soll weit tiefer in die Gräueltaten des IS verstrickt sein, als bei seinem ersten Prozess bekannt geworden war. Dem 29-Jährigen wird inzwischen vorgeworfen, 2014 in Syrien drei Gefangene gemeinsam mit zwei Komplizen zu Tode gefoltert zu haben.
Da er bereits vor drei Jahren als IS-Mitglied zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, hatte das Oberlandesgericht die neue Anklage zunächst abgelehnt. Eine solche Doppelbestrafung verbiete das Grundgesetz. Das sah der Bundesgerichtshof anders, hob die Entscheidung auf und ordnete einen weiteren Prozess an: Es handele sich um neue Vorwürfe.
Nils D. war im Oktober 2013 über die Türkei nach Syrien gereist und zur Terrormiliz gestoßen. Dort gehörte er nach eigener Aussage 2014 acht Monate lang einer Spezialeinheit des IS an, die Abtrünnige und Deserteure aufspüren sollte.
Der heute 29-Jährige hatte in seinem ersten Verfahren aber bestritten, an Folterungen und Hinrichtungen von Gefangenen beteiligt gewesen zu sein. Als Kronzeuge hatte er zudem gegen ehemalige Kampfgefährten ausgesagt.
Das Gericht hatte Nils D. daraufhin attestiert, lediglich als Zuschauer Hinrichtungen miterlebt zu haben. „Nach dem Freitagsgebet wurde geköpft“, hatte die damalige Vorsitzende Richterin Barbara Havliza in der Urteilsbegründung berichtet. Havliza ist inzwischen Justizministerin in Niedersachsen.
„Die Strafe wäre ohne Geständnis weitaus höher ausgefallen“, hatte sie betont. Doch inzwischen steht im Raum, das Nils D. ihr seine schlimmsten Untaten verschwiegen haben könnte.
Mit seinen Aussagen habe er zwölf Komplizen belastet und mitgeholfen, fünf Haftbefehle zu erwirken, hatte die Bundesanwaltschaft dem Mann aus Dinslaken noch 2016 zugute gehalten. Der hatte Islamisten aus Dinslaken, Mönchengladbach, Solingen und Wolfsburg belastet.
Erst später war er durch neue Zeugen schwer belastet worden, die sein Treiben in Syrien in ein ganz anderes Licht stellten. Die beiden Pflichtverteidiger des Angeklagten wollten vor Prozessbeginn auf Anfrage keine Stellung zu den Vorwürfen nehmen. Für den Mordprozess sind 22 Verhandlungstage angesetzt.
Was bereits rechtskräftig festgestellt ist: Vermummt und mit einer Kalaschnikow bewaffnet war der arbeitslose Hauptschulabsolvent regelmäßig im Morgengrauen im sogenannten „Sturmtrupp“, einer Spezialeinheit des IS, ausgeschwärmt, um vermeintliche Spione und Deserteure zu verhaften.
Einer seiner Komplizen aus Deutschland hatte mit einem abgeschlagenen Kopf an einem Kreisverkehr für ein Foto posiert. D. war selbst auf einem Foto zu sehen, wie er einem Gefangenen lachend eine Pistole an den Hinterkopf hält.
Er selbst hatte geschildert, wie die Frauen kollabierten und die Kinder schrien, wenn er die Männer aus den Häusern zerrte. Einmal habe er eine Leiche - vermutlich ein Folteropfer - auf einer Müllkippe verscharrt.
Auch die Folterkammern des IS hatte er im Gerichtssaal beschrieben: 20 Gefangene an Stangen unter der Decke aufgehängt, oder in Kästen gepfercht, wo sie tagelang in ihrer eigenen Notdurft ausharren mussten.
„Die Schreie der gefolterten Gefangenen konnte der Angeklagte hören“, hatte Havliza in ihrer Urteilsbegründung festgestellt. Nun steht Nils D. im Verdacht, die Schreie als Folterscherge selbst verursacht zu haben.