Kindesentführung als „Verzweiflungstat“ - Mutter erneut vor Gericht
Eine Mutter hat auf offener Straße ihren eigenen Sohn entführt. Inzwischen lebt das Kind wieder beim Vater, die Mutter wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und sieht ihren Sohn regelmäßig. Aber sie will eine mildere Strafe erreichen.
Düsseldorf (dpa). Der neun Jahre alte schreiende Junge wurde 2008 am helllichten Tag in der Düsseldorfer Lorettostraße in ein Auto gezerrt. Die Mutter entführte ihr eigenes Kind in ihr Heimatland nach Polen. Erst Monate später, im März 2009, einigten sich die geschiedenen Eltern auf die Rückkehr nach Deutschland.
Auch drei Jahre danach ist der Fall noch nicht beendet: Zwar lebt das Kind wieder beim Vater und dessen zweiter Frau und sieht seine Mutter regelmäßig. Diese war vom Amtsgericht zu 14 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Vor dem Landgericht will sie aber ein milderes Urteil erreichen. Deshalb hatte sie Berufung eingelegt - und das tat dann auch die Staatsanwaltschaft.
„Es bleibt grundsätzlich beim Geständnis“, sagte am Dienstag die zierliche, dunkelhaarige Angeklagte zu Prozessbeginn vor der Strafkammer unter Vorsitz von Richter Rudolf Wolff. Aber es sei auch eine „Verzweiflungstat“ gewesen. Die Lektorin hatte ihren Sohn seinerzeit seit zwei Jahren nicht gesehen. Denn mit Gerichten und Jugendamt gab es ständig Streit. Verurteilt worden war sie wegen Entziehung Minderjähriger, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.
Sie habe aber kein Tränengas eingesetzt und das Kind nicht gegen seinen Willen mitgenommen, machte sie nun geltend. „Es ist die Hölle“, beschrieb der 47 Jahre alte Vater am Dienstag seine Gefühlslage angesichts der monatelangen Ungewissheit nach der Entführung seines Sohnes.
Bei der Suche schaltete der Vater einen Privatdetektiv, Übersetzer, Anwalt, Diplomaten und Behörden ein, suchte den Kontakt zu den Ex-Schwiegereltern. Schließlich mobilisierte der Rosenkrieg auch in Polen die Presse. Dort zeigte sich die Frau als Opfer der deutschen Justiz, die als Ausländerin keine Chance gehabt habe, das Sorgerecht für ihr Kind zu erhalten.
Der Vater sprach mit der Presse und wies zurück, dass es ein „Polnischsprechverbot“ oder eine „Zwangsgermanisierung“ gebe. Durch die Vermittlung eines polnischen Journalisten fanden die zerstrittenen Eltern des Jungen schließlich einen Kompromiss für eine Rückkehr: Der Vater zog die Anzeige zurück und sagte seiner Ex-Frau einen regelmäßigen Umgang mit ihrem Sohn zu.
Wegen der Schwere des Delikts kam es aber trotzdem zum Prozess: Die Frau wurde in Düsseldorf in erster Instanz auf Bewährung verurteilt. Inzwischen hat die 44-jährige vor dem Amtsgericht Mönchengladbach das gemeinsame Sorgerecht für den mittlerweile zwölfjährigen Sohn beantragt - und will vor dem Landgericht Düsseldorf eine mildere Strafe durchsetzen.
Ende Januar soll das Verfahren weitergehen.