Kultur in Düsseldorf Asphalt Festival: Stadtgestalten erobern den Raum
Streetdance aus Paris und Klezmer-Punk aus Tel Aviv sorgten im Weltkunstzimmer für eine energiegeladene Eröffnung.
Düsseldorf. Der Schweiß strömt der Tänzerin übers Gesicht. Mehr als 65 Minuten lang hat sie ihren Körper sprechen lassen. Sich den Platz auf einer Fläche von drei mal drei Metern im Miteinander von sieben Männern erobert, den begrenzten Raum durchtanzt, mal in Voguing-Posen die Arme verschraubt, mal in Hip-Hop-Moves den Körper verbogen. Sogar der Torjubel des französischen Fußballstars Paul Pogba oder die ruckartigen Bewegungen einer ordinären Stadttaube finden Eingang in die virtuose Streetdance-Choreografie „Heroes“, mit welcher La Compagnie de Soi aus Paris am Freitag im Weltkunstzimmer an der Ronsdorfer Straße das fünfte Asphalt-Festival eröffnen.
Gut gewählt ist der Auftritt der Franzosen, lautet das diesjährige Leitmotiv doch „Stadtgestalten“, mal als Menschen, mal als Tätigkeit zu verstehen — je nach Perspektive. Und wie sich die Protagonisten in ihrem eigenwilligen und jeweils individuellen Stil, geprägt von vielen Tanz-Einflüssen, auf kleinstem Raum bewegen, ohne den anderen zu behindern, verkörpert eine urbane Utopie auf eindrucksvolle Weise. Und wie sie gekommen sind, so verschwinden sie durch das geöffnete Tor der Glashalle in der Stadtkulisse — genau in der Weise, wie es die künstlerischen Leiter zur Eröffnung formulieren: Sie wollen den Stadtraum für die Kunst erobern, alltägliche Orte für einen kurzen Moment zur Bühne werden lassen und auch die Künstler auffordern, sich an diesen Orten abzuarbeiten.
Wie viel Spaß das machen kann, haben die verrückten Musiker der Jewish Monkeys im Anschluss bewiesen. Die Klezmer-Punker aus Tel Aviv haben das Publikum nach wenigen Minuten auf ihrer Seite, das schräge Trio am Mikrofon lässt es jiddische Klassiker singen, flirtet mit tanzenden Frauen am Bühnenrand, macht jede Menge Quatsch untereinander und vermischt Westernsound mit Ska, zu dem es richtig abgeht. Ganz nebenbei erfährt man, warum „alte Kacke“ sich im Deutschen überhaupt nicht gut anhört, im Jiddischen aber als angemessene Zustandsbeschreibung in allen Lebenslagen durchgeht. Und warum keiner so gut von „Romania“ singen kann wie der bulgarisch-marrokanische Bruder mit der verwegenen Haartolle aus Israel.
Bei so viel Energie aus verschiedenen Ecken der Erde erscheinen die Bilder des aus Düsseldorf stammenden Fotografen Philipp Rathmer geradezu kontemplativ. Auf mehreren Japan-Reisen hat er originelle Stadtmotive aus Metropolen wie Tokio eingefangen: Menschen, die vor einem Beerdigungsinstitut innehalten, oder in einem hastigen Moment beim Überqueren einer Straße mit beiden Füßen vom Boden abheben. Ästhetisches Gespür beweist Rathmer, wenn er grünsilbrig schimmernde Fische aufnimmt, die in Blut und Schuppen liegend sich aneinanderschmiegen. Wunderschön und trotzdem tot. Auch sie sind Stadtgestalten, die beim Asphalt-Festival ihren Platz finden.