Kultur in Düsseldorf Rheinoper entstaubt ihre Evergreens

In den Archiven der Deutschen Oper am Rhein schlummern alte Schätze. Mit Jean-Pierre Ponnelles Produktion von Rossinis „La Cenerentola“ gibt es nun ein Wiedersehen.

Foto: Sascha Kreklau

Düsseldorf. Nicht nur Meisterwerke der Opernliteratur können Musiktheater-Freunde begeistern, auch Inszenierungen schaffen es zuweilen bis in die Herzen des Publikums. Ist eine Produktion abgespielt, fristet sie alsbald ein dauerhaftes Schattendasein in den Archiven. Doch besonders brillante Arbeiten wie die Inszenierung von Gioacchino Rossinis „La Cenerentola“ durch den Franzosen Jean-Pierre Ponnelle (1932-1988) erfreuen sich der Wiedergeburt. Ab dem 17. September steht die Produktion aus dem Jahr 1974 wieder auf dem Spielplan der Deutschen Oper am Rhein.

Foto: Repro: Judith Michaelis

Ponnelle hatte einen ganzen Rossini-Zyklus in Düsseldorf und Duisburg inszeniert, manche Stücke exklusiv für die Rheinoper. „La Cenerentola“, Premiere am 9. Januar 1974 im Duisburger Haus, war damals bereits in San Francisco (1969), Florenz (1971) und an der Mailänder Scala (1973) über die Bühne gelaufen. Ponnelle inszeniere Rossini wie ein musikalisches Bilderbuch, voll von unerschöpflichen szenischen Einfällen, sagt die ehemalige Chefdramaturgin des Hauses, Ilka Kügler. Sie entsprächen der ebenso unerschöpflichen musikalischen Erfindungsgabe des Komponisten.

Foto: Repro: Judith Michaelis

„Es ist ein großes Glück, dass wir als Deutsche Oper am Rhein die weltberühmte Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle in unserem großen Repertoire haben“, sagt Generalintendant Christoph Meyer. „In unseren Werkstätten wird sie gerade sehr liebevoll und detailgetreu aufbereitet, damit wir sie zwölf Jahre nach der letzten Vorstellung wieder auf die Bühne bringen können.“

Foto: Repro: Judith Michaelis

Dass eine alte Inszenierung wieder lebendig werden kann, obwohl der Regisseur selbst nicht mehr unter den Lebenden weilt, liegt an der guten Pflege des Archivs. „Die allermeisten Regiebücher sind noch erhalten“, sagt Spielleiter Volker Böhm, dessen Aufgabe es ist, die Ponnelle-Inszenierung zu reanimieren. „In den Regiebüchern steht alles, was wichtig ist“, erklärt Böhm. Aufgeschrieben sei nicht nur, wer wann von wo einen Schritt gehe, sondern auch, warum er sich so und nicht anderes bewegen solle. Das sei bei der Motivation der Darsteller von großer Bedeutung, erläutert der Spielleiter. Zudem existierten Filmaufzeichnungen und Kostümkisten. „Einige Kostüme und Dekorationsstoffe sind bereits zerfallen und müssen neu gemacht werden“, berichtet der Theaterfachmann.

Regiebücher würden fast alle noch existieren, sagt Böhm. Die Kostüme und Bühnenbilder würden aber entsorgt, sobald eine Neuinszenierung eine alte Produktion abgelöst hat. Beispielsweise dürfte die legendäre Inszenierung von Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ durch Georg Reinhardt (Regie) und Heinrich Wendel (Bühne) aus dem Jahr 1968 spätestens seit der Neuproduktion durch den Regisseur Christof Nel entmaterialisiert sein. Ein ähnliches Schicksal müsste Reinhardts und Wendels kosmischer Darstellung der Oper „Palestrina“ von Hans Pfitzner widerfahren sein nach der Neugestaltung durch Nikolaus Lehnhoff (1939-2015).

Eindrucksvolle Fotos existieren in einem Bildband mit Texten rund um die Ära des ehemaligen Intendanten Grischa Barfuss. „Deutsche Oper am Rhein 1964 - 1986“ heißt das Buch, das nur noch mit Glück antiquarisch erworben werden kann. Beim Durchblättern stößt man auf einen ganzen Schatz von Bühnenaufnahmen. Ins Auge springt zum Beispiel eine Szene aus Richard Wagners „Parsifal“, inszeniert 1970, wo Parsifal unter den Blumenmädchen weilt, während im Hintergrund in feurigem Rot-Gelb die Höllenrose aufflammt. Diese Reinhardt-Inszenierung ist in Düsseldorf Geschichte.

Doch in Mannheim macht seit 1957 eine noch ältere Parsifal-Inszenierung von Hans Schüler als Dauerbrenner Furore. Sie feierte jetzt ihr 60. Bühnenjubiläum und existiert unverändert auf dem Spielplan. Selbst der experimentierfreudige Intendant Burkhard C. Kosminski, der in Düsseldorf mit Wagners „Tannhäuser“ einen Skandal angezettelte hatte, wagte in Mannheim mit „Parsifal“ keinen Neuanfang. Einen ähnlich hohen Status als Heiligtum genießen am Rhein Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Und „La Cenerentola“ hat ebenfalls das Zeug zum Evergreen.