Beuys-Happening Sechs Tage im Beuys-Labor
Düsseldorf · Um „Formen des Wir“ geht es in einem gesellschaftlichen Labor zu Ehren von Beuys in den nächsten Tagen vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus.
Beuys-Fans und Philosophiestudenten der Kunstakademie saßen bei warmem Sommerwetter auf bunten Stühlen vor der Kulisse des Schauspielhauses und lauschten bis in den späten Abend dem Programm: Im Corona-Abstand zu ihnen lasen die Referenten ihre Thesen vom Blatt ab. Das Zuhören war nicht immer leicht, hatte doch vor allem Oliver Marchart aus Wien das gesamte revolutionäre Potenzial der Protestbewegung der letzten 250 Jahre im Gepäck.
Ruhig und besonnen, wenn auch wegen technischer Probleme ohne Bilder, referierte Eugen Blume über den Start des jungen Beuys mit der „Deutschen Studentenpartei“, die er als „erstes Happening“ bezeichnete. Diese DSP war das Vorspiel einer Reihe kunstpolitischer Interventionen, so Blume, die erst 1983 endeten. Zu diesem Zeitpunkt stellte nämlich die „echte Partei“ der Grünen ihr Mitglied nicht für die Bundestagswahl auf, weil sie fürchtete, Beuys würde das Chaos in den Bundestag tragen.
Der Hochschullehrer Beuys hatte 1967 seinen ersten spektakulären Auftritt in der Akademie mit dem, was Blume das „ÖÖ-Programm“ nannte. Statt zur Immatrikulationsfeier in der Aula die artigen Neulinge zu begrüßen, inszenierte er im Beisein des Lehrkörpers einen Affront. Er hielt eine Axt in der Hand, verzichtete auf jeden Text, röhrte „ö-ö“, pfiff und zischte ins Mikrophon. Blume wertete dieses Röhren als „erste Stufe seiner plastischen Theorie“. Verständlich, dass der Lehrkörper mit einem Misstrauensantrag reagierte, den neun Professoren im November 1968 unterschrieben. Die Kollegen wussten genau, was ihnen blühte. Sie pochten auf Ordnung, Beuys auf produktives Chaos.
Er wollte mehr. Dies umriss Catherine Jane Nichols: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Die Mitstreiterin im Beuys-Jahr sieht in diesem berühmten Satz eine Utopie und erklärte: „Wir alle, unabhängig von unserer Herkunft, unserer kulturellen Zugehörigkeit, unserer sexuellen Orientierung, unserem Bildungsgrad oder Beruf, besitzen ein kreatives Potenzial. Begreifen wir uns als Künstler, so sind wir in der Lage, unser Leben und unsere Umwelt aktiv mitzugestalten.“ Dabei fiel erstmals das Leitwort der sechstägigen Veranstaltung: Nichols nannte es eine „radikaldemokratische Teilhabe aller“. Beuys zielte nun nicht mehr nur auf Studenten und Professoren, sondern auf die „ganze Menschheit“. 1974 machte er seine ersten Vortragsreisen nach Großbritannien, Irland und USA, er betrieb „Freiheitswissenschaft“.
Die weiteren Open-Air-Veranstaltungen gelten der Frage, wie diese alles umfassende alternative Bewegung zum Erfolg führen könnte. Im Rahmen eines Labors wollen die Veranstalter „Formen des Wir“ bis in den September diskutieren und essend, arbeitend, schlafend und natürlich redend selbst erproben.
Info Alle Vorträge ab 18 Uhr auf dem Gründgens-Platz. Besucher müssen einen negativen Corona-Test vorweisen: