Neu in den Programmkinos Freies Land: Ein Film über die Nachwendezeit 1992

Unser Kolumnist Philipp Koep beleuchtet aktuelle Filme in Düsseldorfer Programmkinos.

 Eine Szene aus dem Film „Freies Land“.

Eine Szene aus dem Film „Freies Land“.

Foto: dpa/-

Jojo Rabbit

Eine neuseeländisch-belgische Romanautorin und ein neuseeländischer Regisseur haben natürlich eine ganz andere Sicht auf Nazi-Deutschland als eine deutsch-jüdische Autorin wie Judith Kerr und eine deutsche Regisseurin wie Caroline Link. Die Geschichte vom kleinen Hitlerjungen Jojo Betzler, der entdecken muss, dass seine eigenen Eltern ein jüdisches Mädchen auf dem Dachboden verstecken, nimmt zwar ebenso die kindliche Perspektive auf den Rassenwahnsinn ein, verschiebt die naive Perspektive jedoch gleich ins Absurde. Wien im Weltkrieg, Jojo ist begeisterter Pimpf, doch mit seinem Heldentum und Waffengeschick ist es nicht weit her, nicht einmal sein eingebildeter Freund Hitler – eine schrille Führerphantasie – kann da helfen. Als er auch noch ein „Hasenherz“ beweist und Freundschaft mit dem versteckten Mädchen schließt, ist es Zeit, die Freundschaft mit „Hitler“ zu beenden.

Das zeigen jetzt die Düsseldorfer Filmkunstkinos
Foto: Judith Michaelis

Atelier, Vorpremiere, Mo. um 20 Uhr

Little Joe – Glück ist ein Geschäft

Blume des Bösen? Die Gentechnik-Firma Planthouse hat eine ganz neuartige Kreation geschaffen: die purpurote „Little Joe“ ist nicht nur von besonderer Schönheit, ihr Duft hat auch eine ganz besondere Wirkung. Der Wirkstoff Oxytocin, ein hochpotentes Hormon, das bei der Mutter-Kind-Bindung eine große Rolle spielt, macht glücklich. Doch als Mitarbeiterin Alice die Pflanze heimlich mit nach Hause nimmt, zeigt ihr Sohn Joe bald sonderbare Verhaltensweisen. Bei Alice reift der Verdacht, dass die Pflanze keineswegs harmlos ist...

Mit internationaler Besetzung schielt die Produktion der österreichischen Regisseurin Jessica Hausner („Lourdes“) auf den großen Kinomarkt. Doch die eindrucksvollen steril-stilisierten Bilder verlieren – ebenso wie das Glücksversprechen von „Little Joe“ – bald ihre magische Wirkung und das absehbare Ende wird nach 106 Minuten lang.

Bambi, tgl. 19 Uhr (am Di. im engl. OmU)

Freies Land

Die Befreiung des Mauerfalls liegt bleischwer auf dem gottverlassenen Land: Ostdeutschland im Jahr 1992. Das Verschwinden von zwei jungen Frauen führt das Ermittlerduo Bach und Stein nach Mecklenburg-Vorpommern. Dort stoßen die beiden auf eine Mauer des Schweigens. Tief sitzt das Misstrauen gegen die Wessis, die das Land wie ein Heuschreckenschwarm der Investoren überzogen haben. Die beiden Mädchen seien nach Berlin abgehauen, so erzählt man sich. Doch bald erkennen die Kommissare, dass die Menschen etwas zu verbergen haben und finden bald die Leichen der Gesuchten.

Für sein Remake des spanischen Films „La Isla Mínima - Mörderland“ von Alberto Rodríguez überträgt Christian Alvart die Post-Franco-Zeit auf die Nach-Wende und kann damit einen effektvollen Genre-Film inszenieren.

Bambi, tgl. 21.15 Uhr (außer Mo.)

Milchkrieg in Dalsmynni

Rebellische Frauen sind der neue Exportschlager des isländischen Films. Nach der verschmitzten Elektro-Rebellion in „Gegen den Strom“ geht es in „Milchkrieg“ rustikaler zur Sache. Nach dem Tod ihres Mann steht Inga vor den Scherben ihrer Existenz. Der kleine Milchhof ist hoch verschuldet und gegen das mafiöse Kartell der örtlichen Milch-Genossenschaft hat sie keine Chance. Das Problem ist, dass dieser Zusammenschluss einst von den Bauern selbst gegründet wurde, um sich aus der Abhängigkeit zu befreien. Doch mittlerweile hat sich die Organisation verselbständigt und knechtet die Bauern wie einst. Doch der resolute Aufstand von Inga findet nur langsam Unterstützung, indes beginnt sie zu verstehen, dass der Tod ihres Mannes mit der Genossenschaft zu tun hat...

Die moderne Kohlhaas-Geschichte von Grímur Hákonarson vermeidet eine öko-utopische Perspektive, doch die ökonomische Rebellion bleibt mit ihrem schnell etablierten Gut-Böse-Schema etwas hölzern.

Metropol, tgl. 19 Uhr (am Mi. im isländ. OmU)

Queen & Slim

Aus einem ganz normalen Tinder-Date entwickelt sich eine nationale Verbrecher-Jagd. Queen und Slim sind ganz brave Bürger, aber sie sind schwarz. Sie hat ihn geswiped, weil sie sein Lächeln irgendwie süß fand und nicht allein sein wollte. Er fand sie attraktiv, ist sonst ein totaler Familienmensch und hätte natürlich niemals auf einen One-Night-Stand gesetzt. Doch als Slim seine Queen vor der Haustür absetzen will, wird das Auto von einer Polizeistreife angehalten. Obwohl beide wissen, wie man sich als Schwarzer bei einer solchen Kontrolle zu verhalten hat, gibt es dennoch Ärger. Die Rechtsanwältin Queen fordert ihre Rechte ein und es kommt zu einer tragischen Verkettung. Am Ende hat Slim den Officer erschossen. Aus dem Date wir ein Zweckbündnis, keiner der Beiden will auf die Justiz vertrauen, sie sind auf der Flucht.

Die schwarze Version von Bonnie & Clyde will aktuell und politisch sein, doch leider ist sie auch kreuzbrav und politisch unbedarft.

Metropol, tgl. 16.15 und 21 Uhr am Di./Mi. um 21 Uhr im engl. OmU

Miles Davis – The Birth of Cool

„The Birth of Cool“ war ein Spätzünder, erst rund zehn Jahre nach den Aufnahmen wurde die Geburt des „Cool Jazz“ 1957 ein Verkaufserfolg. Nach dem Spielfilm „Miles Ahead“ bringt nun Stanley Nelson sein Porträt von Miles Davis in die Kinos, das nach der berühmten Platte benannt wurde. Ausführlich kommen Freunde, Bekannte, Wegbegleiter und Prominente zu Wort, die Musik des schillernden Künstlers kommt bei der „Talking Heads“-Parade akustisch ins Hintertreffen.

Bambi, tgl. 21.15 Uhr (engl. OmU)

Buñuel – Im Labyrinth der Schildkröten

Mit seinen ersten beiden Filmen wurde Luis Buñuel berühmt – und berüchtigt. Das enfant terrible aus gutem Hause mischte mit seinen surrealistischen Filmen nicht nur die Cinematographie sondern vor allem das frömmlerische Establishment auf. Kurzum, er fand keine Geldgeber mehr für sein neues Projekt. Ausgerechnet der Lottogewinn eines befreundeten Künstlers, bei einem Zechgelage verwettet, verhalf dem 32-Jährigen zum Budget für seinen ersten Dokumentarfilm. Mit der Estremadura hatte sich Buñuel die ärmste und rückständigste Gegend seiner Heimat ausgesucht. 90 Jahre später hat sich nun Salvador Simó an die (Zeichentrick-)Geschichte dieses Filmprojektes, also eine Art animiertes Making Off gemacht, das die Weltsich des exzentrischen Filmkünstlers deutlich werden lässt.

Metropol, So. 12.15 Uhr