Tanzhaus NRW Deborah Hay: Die Generation 40plus ertanzt sich die Bühne
Deborah Hay (Jahrgang 1941) bringt mit „Tenacity of space“ ein Tanzstück mit älteren Darstellern ins Tanzhaus NRW.
Düsseldorf. Joseph Beuys. „Spreche ich den Namen richtig aus?“, fragt Deborah Hay in exquisitem US-Englisch. Eine der großen Damen des so genannten Postmodernen Tanzes weiß genau, in welcher Stadt sie ist. „Ich habe viele Videos von Performances von Beuys gesehen. Und sie haben unsere Arbeit — schon inden 70ern — beeinflusst.“ Für Beuys war jeder Mensch ein Künstler. Wie für den so genannten Postmodernen Tanz jede Alltagsbewegung eines Menschen auf der Tanzbühne sichtbar gemacht werden kann.
Hay, die in den 1960er Jahren mit Merce Cunningham und seiner Truppe auf Welttournee ging, reist auch heute noch um den Globus. Mit 76. Weniger um zu tanzen, als um zu unterrichten, zu choreografieren oder in Workshops ihr Wissen des zeitgenössischen Tanzes weiterzureichen. „Leider habe ich in der letzten Zeit weniger geübt, weil ich immer unterwegs bin.“ Im Tanzhaus NRW probt sie seit zwei Tagen mit der „Dance on“-Company für eine Performance, die an drei Abenden zu sehen sein wird. Vom 24. bis 26. März. Bei den Proben (sie nennt es ‚Übungen’) sitzt sie mit den Tänzern auf dem Boden, diskutiert ruhig über die richtige Sound-Kulisse, steht auf und wärmt sich mit den drei Männern und zwei Frauen gemeinsam auf.
Das Besondere an „Dance on“: Es tanzt die Generation „Forty plus“ - d.h. ehemalige Solisten von William Forsythe und anderen namhaften Ensembles des Neuen Tanzes, jenseits der 40 - einer magischen Grenze in fast jeder Tänzerkarriere. „Ihre Bewegungen vermitteln eine andere Art von Schönheit“, erklärt Hay.
Wenn 20- bis 30-Jährige auch schneller und elektrisierender seien, „so sind ältere Tänzer reifer, haben durch ihre lange Erfahrung ein breitgefächertes, reicheres Bewegungs-Vokabular“, sagt sie.
So freut sich die in Brooklyn/New York geborene Künstlerin, dass „Dance on“ (2015 als Tanz-Forschungs-Projekt gegründet) mit ihr arbeiten will. Titel der 60-Minuten Performance: „Tenacity of space“ (Beharrlichkeit, Verlässlichkeit des (Welt-)Raums). Nicht gerade sehr konkret. Es gehe darum, „dass wir unsere Werte bewahren müssen“, meint sie. Wie sie darauf kam? „Den Titel habe ich nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten benannt.“
Politisches will sie nicht viel dazu sagen. Sie tanzt und choreographiert. Sie räumt aber, leicht frustriert, ein: „Die Trump-Wahl spiegelt die heutige amerikanische Kultur.“ Die Tatsache, dass gerade mal 50 Prozent der Bevölkerung zur Wahl gehen, erklärt Mrs. Hay lakonisch: „We are lazy.“ (Wir, die Amerikaner, sind faul). Auch zu ihrem Tanzstil möchte sie nicht viel sagen. Es gäbe keine Bewegungen, an denen man ihre Handschrift wiedererkennen könne. „Es gibt keine Grenzen. Alles ist möglich.“ Pirouetten und große Sprünge gehören genauso zu ihrem Vokabular wie Alltags-Bewegungen. Gehen, fallen, umarmen: Ist das postmodern?
„Ich weiß nicht, was das sein soll“, schmunzelt die Choreografin, die u.a. vier Bücher über neuen Tanz geschrieben hat. Auch wenn viele Künstler und Intellektuelle den Begriff postmodern benutzen würden, lehnt sie ihn ab. Nur die Epoche möchte sie beschreiben: „Diese so genannte Postmoderne begann nach dem Modern Dance - nach Martha Graham, Merce Cunningham oder José Limon.“
„Ich bin sehr diszipliniert“, sagt Hay. Proben und Übungs-Zeiten für die Tänzer stehen lange vorher fest. Auf die Minute. Klar, dass keiner wagt, zu einer „Übung“ mit ihr zu spät zu kommen. Im Vergleich zu Tänzern der 1960er Jahre habe sich die heutige Generation verändert. Es sei einfacher zu choreografieren als früher. „Tänzer heute sind besser trainiert, weniger fixiert auf einen bestimmten Stil und lernen schneller eine Performance.“