Die Tränen der traurigen Frauen
Malerin Marlene Dumas widmet sich im Ehrenhof den Themen Wut, Trauer und Verzweiflung.
Düsseldorf. Marlene Dumas hat im vergangenen Jahr den hoch dotierten Kunstpreis der Stadt Düsseldorf verliehen bekommen. Das Versprechen, eine Ausstellung zu präsentieren, löst sie jetzt mit zehn faszinierenden Arbeiten im museum kunst palast ein.
"Blue Marilyn" zeigt den liegenden Körper einer "Blauen Marilyn" zwischen Brust und Kopf. Das Motiv basiert auf einer Fotoserie, die Bert Stern mit der Monroe kurz vor ihrem Tod 1962 in einem Hotelzimmer machte und in der amerikanischen Vogue veröffentlichte. Einige der besten Aufnahmen gelangen dem Fotografen, als Monroe betrunken war.
Ihre Depressionen, ihre Paranoia und die daraus resultierenden Selbstzweifel spiegeln sich in Dumas Bild. Sie präsentiert ihre Marilyn im Zustand der Betäubung, sie scheint schon entschlafen zu sein. Schwarz stößt die Flasche wie ein Geschoss in ihren Mund.
"Magnetic Fields" heißt die Schau im Kunstpalast, in der es um weinende Frauen, um Leid, Schmerz, Verlust und Angst geht. Im Vorjahr war Dumas’ Mutter gestorben, zu der sie eine enge Bindung hatte. Sie identifizierte sich mit dem Thema weinender Frauen, das sie schon lange verfolgte.
Sie wollte aber nicht die Liebesgeschichten und Tränen von Filmheldinnen wiedergeben. Sie sagt: "Im Film sind weinende Frauen immer schön. Auf einem Gemälde ist das nicht so. Das wollte ich schon immer zeigen."
Sie suchte in Illustrierten, Filmen und Fotos nach ihrem Thema. Sie sah den alten Jeanne d’Arc-Film von Carl Theodor Dreyer mit Maria Falconetti in der Titelrolle, wo Dreyer die Schauspielerin im Blow up präsentiert und den Körper wie eine Landschaft benutzt. So sehen auch ihre Gesichter aus.
Margaux Hemingway, die Enkelin des Dichters und Schauspielerin, entdeckte die Dumas im Playboy als nacktes Fotomodell mit Schamhaaren. Ihre 19-jährige Tochter war erstaunt, sie hatte sich bis dahin ihre Schamhaare rasiert. Und die Mutter fand es interessant zu sehen, wie sich die Zeit ändert. So entstand das Bild, das der Ausstellung den Titel gibt, die "Magnetischen Felder".
Eine "Traurige Romy" hatte sie auf einem Cover gesehen. Sie zeigt sie nun im Profil erstaunlich filmgetreu. Das Weinen liegt als blaue, wässrige Farbe in den Augenhöhlen. Dem Tränenfluss entsprechend malt Dumas "wasserreich". Schlieren und Tropfen übersäen das Bild. Die Gesichtszüge zerfließen, von den schwarz umrandeten Augen bis zum verschmierten Lippenstift. In Blasen, Punkten und Flecken dringt die Farbe auf den Untergrund.
Ihr eindringlichstes Bild, "Io", gilt der Geliebten Jupiters. Sie hatte ein Bild des Renaissance-Malers Correggio im Kunsthistorischen Museum in Wien gesehen, wo sich Jupiter in einer graublauen Wolke versteckt und Io hingebungsvoll zu ihm emporblickt. Die Liebe als die Verbindung zwischen Himmel und Erde führt bei Dumas zu einem fast eruptiven Ausdruck.
Dumas setzt die Frauen aus widersprüchlichen Emotionen zusammen. Sie betont "Ich will Trauer, Wut, Schock, Verzweiflung und Gelassenheit ausdrücken. Ein Bild muss anziehend und abstoßen, heiß und kalt sein." Zum Prozess des Malens sagt sie: "Ich werfe zunächst die Farbe auf das Gemälde. Ich male nicht pingelig aus. Selbst auf kleinen Bildern werfe ich die Farbe schnell. Und dann male ich realistische Teile hinein. Die Geschwindigkeit, mit der ich das tue, ist sehr wichtig. Es erinnert an das Weggehen und Sterben, wie der Tod der Mutter. Es sind immer nur kurze Momente."