Drittes Streetart-Festival in Düsseldorf könnte das letzte sein
Zum dritten Streetart-Festival treffen sich Künstler ab Samstag. Es könnte das letzte Mal sein. Ein Gespräch mit Wandmaler Klaus Klinger.
Herr Klinger, was reizt einen Streetart-Künstler am unattraktiven Kamper Acker?
Klaus Klinger: Welcher Stadtteil hat einen so großen Platz? 1400 Quadratmeter! Ihn zu gestalten ist eine Herausforderung, aber nicht ganz unproblematisch. Das muss ich zugeben. Er ist kahl, hat wenig Schatten und nicht sehr viele Bäume.
Das erste 40-Grad-Festival im Jahr 2013 verteilte sich auf ganz Düsseldorf, das zweite fand auf dem Gustaf-Gründgens-Platz statt, jetzt ist es der Kamper Acker — verkleinern Sie sich?
Klinger: Streetart-Künstler sind nicht häufig im Stadtzentrum aktiv. Dort gibt es keine Flächen, die Umgebung ist stark kommerzialisiert. Ich habe schon länger die Idee, das Festival in einem konkreten Stadtteil stattfinden zu lassen und seine Bewohner einzubeziehen. Es geht uns neben der Kunst ja auch um die Frage: Inwieweit haben Bürger Einfluss auf die Stadtgestaltung? Das ist in Holthausen ein großes Thema. Bei einem Diskussionsabend vor ein paar Wochen mit dem Oberbürgermeister haben die Menschen zu genau diesem Punkt viel Kritik vorgebracht.
Sich im Gemeindesaal zu beschweren ist eine Sache, sich mit Sprayern zu verbünden eine andere. Wie holen Sie die Anwohner ins Boot?
Klinger: Es ist aufwändig. Man muss viel Informationsarbeit vor Ort leisten und trotzdem bleibt die Skepsis erst einmal. Wir haben zum Beispiel in ganz Holthausen nur einen Hausbesitzer gefunden, der bereit war, eine Giebelwand für ein Bild zur Verfügung zu stellen. Dabei gibt es in dem Stadtteil bislang kein einziges Wandbild. Wir haben jetzt zwei Wochen Zeit, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Jeden Tag gibt es dort kostenlose Workshops und Veranstaltungen, an denen sich Bürger beteiligen können.
Welche Rolle spielt Streetart in einer Kunst- und Kulturstadt wie Düsseldorf?
Klinger: Von außen betrachtet, hat sich die Lage etwas gebessert. Finanziell ist jedoch wenig geschehen. 25 000 Euro gibt uns die Stadt als Zuschuss für das Festival, 1700 Euro weniger als letztes Jahr. Würden Künstler und Helfer bezahlt, kostete das Festival rund 80 000 Euro. Das ist jedoch nicht allein unser Problem, sondern der Freien Szene generell. Sie kommt schlichtweg zu kurz, von Zakk und Tanzhaus einmal abgesehen. In Polen finanziert jede größere Stadt ihren Streetart-Künstlern ein Festival. Zumindest bislang. Was unter der aktuellen Regierung geschieht, weiß man natürlich nicht.
Im bürgerlichen Milieu gilt es als schick, sich mit Streetart zu befassen.
Klinger: Ja, es gibt einen Hype. Und es war kurios zu beobachten, wie das Düsseldorfer Stadtmarketing mit Vertretern der Tourismusbranche aus ganz NRW in die Unterführung unter dem Worringer Platz spazierte, um den Gästen Graffiti der 1990er-Jahre zu zeigen. Die Bilder waren 1994 entstanden, als die Passage geschlossen wurde. Der komplette Tunnel wurde damals besprayt, von den Majo Brothers und von Künstlern aus Frankreich und den Niederlanden.
Streetart-Künstler kritisieren regelmäßig, dass ihre Werke aus dem Straßenbild verschwinden. Die Vergänglichkeit ist aber doch gewollt oder ist Ihnen das Museum plötzlich lieber?
Klinger: Es sind in den vergangenen Jahren in Düsseldorf bestimmt 30 bis 40 Wandbilder im Zuge von Baumaßnahmen verschwunden. Die Frage ist, ob dafür nicht Ersatzflächen zur Verfügung gestellt werden sollten. Ins Museum wollen wir nicht, aber es wäre schön, wenn auch Streetartkünstler die Chance bekämen, in einem der Düsseldorfer Ausstellungshäuser vorübergehend Werke zu zeigen.
Was bislang abgelehnt wurde.
Klinger: 2015 wollten wir das 40-Grad-Festival zuerst auf dem Grabbeplatz veranstalten. Ich habe also die Anlieger, Kunsthalle und Kunstsammlung NRW, angeschrieben. Das Ergebnis war enttäuschend. Die Kunsthalle hat sich gar nicht gemeldet. Mit Frau Ackermann von der Kunstsammlung haben wir uns einmal getroffen, dann aber nie mehr etwas von ihr gehört. Ich finde ein solches Verhalten nicht nur merkwürdig, sondern auch arrogant. Es gibt weltweit große Museen, die Streetart präsentieren, die Kunstform ist in die Biennale eingebunden und Düsseldorf verpennt ein weltweites Phänomen. Aber vielleicht braucht die Stadt noch 20 Jahre, bis sie auf Augenhöhe ist.
Klingt, als wären Sie deprimiert.
Klinger: So schlimm ist es nicht. Es geht um Kunstverständnis und Wertschätzung, beides kann ich in Düsseldorf nicht in ausreichendem Maße erkennen. Das Streetart-Festival ist absolute Selbstausbeutung, aber das Festival selbst wird auf dem Kamper Acker eine spannende und schöne Aktion. Ich denke nur nach drei Festivals werde ich sicherlich unter den Bedingungen kein weiteres organisieren.