Düsseldorf Opernsängerin Alexandra von der Weth: Singen zwischen Wachheit und Traum
„Musik im Gespräch“: Opernsängerin Alexandra von der Weth antwortet auf Fragen von Professor Hartwig Frankenberg.
Düsseldorf. Das sogenannte „Lesefenster“ in der Zentralbibliothek ist gut besucht. Dort hat Professor Hartwig Frankenberg in seiner Reihe „Musik im Gespräch“ diesmal einen illustren Gast: Opernsängerin Alexandra von der Weth. Sie war einst Star der Deutschen Oper am Rhein und hat in Düsseldorf noch immer einen Fankreis — auch nach der Stimmkrise, die einen Karriereknick verursacht hatte.
Nach wie vor tritt die Sopranistin als Sängerin auf, unterrichtet aber auch und hilft insbesondere dann weiter, wenn junge Sänger ebenfalls in eine Krise geraten. Dafür hat sich Alexandra von der Weth mit der medizinischen Seite des Singens auseinander gesetzt und Fachbücher studiert. Auch die Wechselwirkung von Musik und Psyche ist ein ganz großes Thema für die Sängerin, die hierzu eine ganze Vortragsreihe entworfen hat.
Dass Alexandra von der Weth längst wieder gut bei Stimme ist, demonstrierte sie nun anhand mehrerer Lieder und Arien. Aus Hugo Wolfs „Spanischem Liederbuch“ sang sie mit starker Expression die emotional dramatisch aufgeladenen Lieder „Bedeckt mich mit Blumen, ich sterbe vor Liebe“ und „Geh’, Geliebter, geh’ jetzt“.
Anhand der Schlussszene aus dem 1. Akt der Richard-Strauss-Oper „Arabella“ stellte sie unter Beweis, dass sie auch noch großen spätromantischen Partien gewachsen ist. Virtuos am Flügel begleitet wurde sie von dem Dirigenten und Pianisten Roland Techet.
Von der Weth legte aber auch ein Solo hin, das ihr ganz besonders plastisch gelang: eine Art Vokalise oder Gesangs-Etüde des italienischen Avantgardisten Luciano Berio (1925-2003). Innerhalb von knapp zehn Minuten kommen alle möglichen Gefühlsregungen hervor, die man mit Mund und Stimmbändern zum Ausdruck bringen kann — vom schönen Vokalklang über verrücktes Lachen und flackernden Indianer-Ruf bis zum Heulen und Zähneklappern. „Das ist hier alles genau notiert“, sagt Alexandra von der Weth und hält dem staunenden Publikum den auf Pappkartonpanelen geklebten Notentext entgegen.
Alexandra von der Weth besitzt eine recht extrovertierte Außenwirkung, verbunden mit einer Prise Unberechenbarkeit. Fragen beantwortet sie nicht brav und vorhersagbar, vielmehr sprudeln die Antworten aus ihr heraus, oft verbunden mit eruptivem Lachen oder auch mal mit Mut zur starken These. An der Musikhochschule in München beispielsweise habe sie von ihrer Gesangsprofessorin nicht viel gelernt. Im Gegenteil: Deren Unterricht habe mehr geschadet als genutzt.
An den Musikhochschulen lässt die Operndiva kaum ein gutes Haar. „Die Gesangslehrer haben zu wenig medizinisches Wissen.“ Das mache die jungen Sänger hin und wieder kaputt. Streng ins Gericht gehe sie zuweilen auch mit Dirigenten. „Ich weiß nun mal viel über Musik und studiere meine Partien genau, und ich erwarte, dass der Dirigent die Partitur mindestens so gut kennt wie ich.“ Bei Regisseuren sei sie sehr viel zurückhaltender mit Kritik. „Die haben meist eine viel höhere Allgemeinbildung als ich und dadurch einen Blick aufs Ganze, wenn sie eine Oper inszenieren.“ Von Regisseuren lerne sie viel über Politik, Zeitgeschehen und Geschichte. „Als Musikerin beschäftige ich mich zu wenig mit solchen Dingen.“
Das Singen selbst sei für sie ein Gefühl wie beim Übergang zwischen Wachen und Träumen, ein magischer Moment, in dem man nichts Alltägliches mehr denke. „Ich versuche dieses Gefühl, dieses ‚Uahh’ auf das Publikum zu übertragen“, sagt von der Weth. Sie selbst sei manchmal fast ohnmächtig von dem „Flash“, den sie etwa in der „Daphne“ von Richard Strauss erlebe, eine Partie, die sie im Londoner Covent Garden gesungen hatte. Ein ähnlich besonderes Erlebnis sei Jules Massenets „Manon“ in Düsseldorf gewesen — vor genau 20 Jahren.