Kultur in Düsseldorf Songbook erzählt aus erster Hand von vielfältigem Oberbilk
Bei dieser Stadtführung kommen Bewohner selbst zu Wort.
Düsseldorf. Normalerweise ist bei Stadt- oder Stadtteilführungen ein ganzer Pulk aus Menschen zu sehen, die einem Stadtführer hinterherlaufen. Nicht so bei „Songbook“, die es nun durch Oberbilk führt. Da bekommen Außenstehende nur alleine spazierende Leute zu Gesicht, die entweder suchend herumirren oder am Straßenrand Kopfhörer aufgesetzt bekommen.
Dass jeder Teilnehmer diese Stadtteilführung alleine begeht, ist Teil des Konzeptes, das sich der Künstler Lukas Matthaei, überlegt hat. Sein Ziel ist es, die Klischees rund um den Stadtteil, in dem besonders viele Menschen aus Marokko leben, aufzulösen. Dafür hat er sich im Vorfeld die individuellen Geschichten von zugezogenen und gebürtigen Oberbilkern angehört und als Interview aufbereitet. So zeigt er, dass die Migranten selbst völlig unterschiedliche Hintergründe haben und Verallgemeinerungen nichts mit der Realität zu tun haben.
Die Teilnehmer der Führung bekommen die Interviews zu hören, wenn sie die Mitarbeiter finden, die in Oberbilk verteilt stehen. Einer dieser Mitarbeiter ist Herbert Aichmann, der in seinem Auto auf der Eisenstraße wartet. Der zugezogene Österreicher versteht er sich selbst als Teil der vielfältigen Oberbilker Gesellschaft. Als Mitglied des Oberbilker Bürgervereines will er aber nun die Geschichten der Oberbilker erzählen, deren Weg nach Deutschland nicht so unbeschwert war. „Ich bin mit fünf Jahren von Marokko über die Türkei, teilweise zu Fuß, nach Deutschland gekommen“, ist die Geschichte eines Oberbilkers, der wie alle anderen anonym bleibt. Auch Menschen, die nicht aus Nordafrika kommen, kommen zu Wort. Unter anderem ein DDR-Flüchtling.
Auch die Mitarbeiter des Projektes haben viel gelernt, selbst wenn sie in Oberbilk wohnen: „Ich habe mir vorher nie bewusst gemacht, dass in der Nähe des Bahnhofs immer besonders viele Migranten leben, und ihre Geschäfte haben.“, erklärt Mitarbeiterin Hildegard Kannengießer. Auch zu diesem Thema gibt es ein Interview einer Migrantin, in dem sie erzählt, wie viele Marokkaner sich selbstständig machen wollten und leerstehende Häuser in Bahnhofsnähe dafür gemietet haben.
Das Songbook ist ein Zwischenstand der Recherche des Künstlers, bevor er die gesammelten Interviews nächstes Jahr in einem Abschlussprojekt verarbeiten will. Was genau er plant, weiß jedoch noch niemand. „Wir sind froh, wenn wir das zwei Wochen vor Start erfahren“, witzelt Rebecca Hermann vom Forum Freies Theater, das Matthaei bei dem Projekt unterstützt. Sicher ist nur, dass das jetzige Songbook nicht wiederholt wird.