Illustrator Jojo Ensslin „Ich kaufe meine Freiheit mit Unsicherheit“

Düsseldorf · Die Illustrationen und Animationen des Düsseldorfers Jojo Ensslin kamen schon bei Ferrero, Nivea und Samsung zum Einsatz.

 Für seine freie Arbeit nutzt der Illustrator Jojo Ensslin gerne Druckplatten.

Für seine freie Arbeit nutzt der Illustrator Jojo Ensslin gerne Druckplatten.

Foto: Anne Orthen (orth)

Früher wollte Jojo Ensslin Filme machen. Das war auch der Schwerpunkt seines Studiums in Düsseldorf. Dann zog es ihn aber in eine andere Richtung: Illustration und Animation. „Es gibt sehr direkte und sehr indirekte Kunstformen“, sagt Ensslin. Der Film sei als Kunstform sehr indirekt, „man braucht viele Leute und viele Monate, das kann einen zerfressen“. Die Illustration hingegen sei vergleichsweise direkt. In nur wenigen Tagen könne man ganz alleine etwas erschaffen.

Was Ensslin auch gelernt hat: Man kann auch als Illustrator Geld verdienen. Wer die Internetseite des Düsseldorfer Künstlers besucht, bekommt einen Eindruck, wo seine Illustrationen und Animationen überall eingesetzt wurden. Zu seinen Auftraggebern zählten Firmen wie Nivea Men, Samsung, Ferrero, Audi, Lidl, das Magazin „Laviva“, das Pharmaunternehmen Exeltis, aber auch die Stadt Düsseldorf. „Hier grätschen die Kunden rein“, sagt Ensslin. Er passe sich den individuellen Wünschen seiner Auftraggeber an, und das mache ihm nichts aus. Denn dabei gehe es darum, was den Kunden gefalle – und für ihn selbst darum, seine Familie zu ernähren.

Anders sieht es in seiner freien Arbeit aus: „Hier bestehe ich darauf, dass alles rein aus meinem Gefühl herauskommt.“ Das Gestalten mache ihm zwar grundsätzlich Spaß, doch seine freie Arbeit sei für ihn mit noch mehr Herzblut verbunden. Auch private und persönliche Dinge und Themen versteckt er dort in verschlüsselter Form.

Für seine Auftragsarbeit nutzt Ensslin seinen Klarnamen, für seine freie Arbeit auch den Namen „Yolk“, was übersetzt „Eigelb“ bedeutet. Den Namen habe er gewählt, „weil Eigelb die energiegebende Masse ist“, vor allem aber auch, weil er gut klinge. Während seine Auftragsarbeit in der Regel aus vektorbasierten Illustrationen besteht, nutzt er in seiner freien Arbeit gerne den Holzschnitt: „Ich mag es, etwas in der Hand zu halten, sei es ein Holzdruck oder ein Surfbrett.“

Der 48-Jährige ist leidenschaftlicher Surfer. Das Hobby biete ihm einen Ausgleich zum sitzintensiven Arbeitsalltag. Und beides kombiniert Ensslin miteinander, indem er selbst Surfbretter baut. Inspiration findet der Künstler häufig auch in der Musik, zum Beispiel in den Songtexten von Velvet Underground, Bob Dylan und den Gorillaz.

Was all seine Illustrationen und Animationen vereine, sei seine Art zu denken, sein Humor. Bei seinen Gesichtern gebe es Variationen, aber immer eine gewisse Naivität. „Ich mag’s, wenn Dinge leicht blöd aussehen“, sagt Ensslin. So sei bei ihm beispielsweise ein Dinosaurier anatomisch falsch dargestellt, habe aber einen „herrlich blöden Blick“. Gerade auch bei Kindern komme seine Kunst gut an, weil diese so plakativ, farbig und nicht bedrohlich sei.

Seine beiden Kinder machen gerne mit ihm zusammen Kunst, etwa mit dem surrealistischen Spiel „Cadavre Exquis“, bei dem man auf einem Blatt Papier den Kopf zeichnet, dann das Blatt knickt und den nächsten Mitspieler den Körper zeichnen lässt. Oder seine Kinder zeichnen seine Illustrationen nach. Umgekehrt habe aber auch seine Tochter ihn schon einmal bei einem Auftrag auf eine Idee gebracht. Die Arbeit als Künstler würde er seinen Kindern allerdings nicht unbedingt empfehlen. „Ich kaufe meine Freiheit mit Unsicherheit“, so Ensslin.

Bei seiner Kunst gehe es ihm nicht darum, eine bestimmte Botschaft zu transportieren, sondern darum, etwas beim Betrachter auszulösen. Oft interpretiere er seine Illustrationen ganz anders. So ist es bei einem Bild in seinem Atelier, das ein Einhorn zeigt mit dem Text „Oh how time flies“. Ein lustiges Motiv, finden viele. „Für mich ist das Bild sehr traurig“, sagt Ensslin. Nach seiner eigenen Interpretation gehe es darum, wie schnell seine Tochter älter geworden ist.

Sorge bereite ihm künstliche Intelligenz. Nach der Pandemie – einer schwierigen Zeit für Gestalter – komme nun die nächste große Gefahr. Bedroht sieht er die Gesellschaft und die Menschheit.

Seine Ilustrationen erscheinen auf den Blick zwar unbeschwert, doch dahinter steckt mehr. „Jeden Tag habe ich Schmerzen“, sagt Ensslin. 2007 wurde er von einer Katze gebissen, ein „schwerer Unfall“, wie er sagt. Ein Jahr lang konnte er nicht arbeiten: „Für jeden Menschen ist das schlimm, aber für Kreative auf eine besondere Art.“ Mit seiner Hand könne er inzwischen alles machen, doch sie tue immer noch weh, und das präge ihn.

„It’s alright, ma“, heißt es auf einer Illustration. Hinter dem Bob-Dylan-Zitat ist eine Hand zu sehen, die eine Okay-Geste macht. Eine beruhigende Botschaft, könnte man denken. Oder aber man sieht in der Illustration eine abgehackte Hand. „Meine Form der Therapie ist es, dass ich jeden Tag aufstehe und weitermache, auch wenn alles wehtut“, sagt Ensslin.