Ex-Kraftwerker im Zakk: Wie in einem ratternden Elektro-Zug

Michael Rother spielte am Sonntagabend vor 400 Menschen im Zakk. In den ersten Jahren war er Mitglied der Band Kraftwerk.

Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Was zählt, das ist der Motorik-Beat: Monoton im Viervierteltakt. Nur wenige Unterbrechungen. Die Maschine muss laufen. Und siehe da: „Beat“, „monoton“, „Maschine“ — auf einmal ist man wieder mitten drin im Kraftwerk-Kosmos. Ob man will oder nicht: Wenn Michael Rother vor 400 Menschen auf der Bühne des Zakk steht, dann tun sich die Parallelen zu den elektronischen Mensch-Maschinen aus Düsseldorf vor einem auf wie mehrspurige Autobahnen, deren Fahrstreifen in einem steten Fluss Richtung Horizont verlaufen.

Denn Rother war ja selber Teil des Kraftwerks. Zwar nur ganz am Anfang und auf Platten, deren Existenz von Ralf Hütter als einzigem, übriggebliebenem Ur-Mitglied heute verleugnet wird. Aber: Er hat mitgemischt. Und er hat später gemeinsam mit dem Motorik-Beat-Erfinder Klaus Dinger in den Bands Neu! und Harmonia sowie als Solokünstler die Idee des Krautrock-Elektro-Gemisches weitergesponnen. Rastlos und mit einer unbändigen Gier nach Innovation.

Und genau das ist der Punkt, an dem die Autobahn der Parallelen zu Kraftwerk dann doch in einer Sackgasse endet: Rother und seine Band aus dem Berliner Gitarristen Franz Bargmann (Camera) und dem alten Kumpel Hans Lampe (La Düsseldorf, Neu!) spielen die Musik, die der ehemalige Tüftler Hütter heute spielen könnte, wenn er wieder tüfteln würde und nicht so sehr damit beschäftigt wäre, die alten Songs per Endlos-Schleife ins Musik-Museum zu befördern.

Rother - der jetzt 64 ist und hofiert wird von Weltstars wie Flea oder John Frusciante von den Red Hot Chili Peppers — steht 105 Minuten lang abwechselnd lächelnd oder in sich versunken vor dem großen Tisch mit Kabeln und Steckern und Knöpfen und Computern und packt zum von Lampe stoisch geklopften Rhythmus die ganze Effektpalette aus: Die Gitarre kreischt, wimmert oder tönt weich. Der Bass aus dem Laptop schiebt sich als Teppich darunter. Krautrock und Elektronik vermengen sich mit altem New Wave. Und es offenbart sich die Genealogie der Genres bis hin zum krachenden Industrial als modernem Biest zwischen Rock, Pop und auch Techno.

Mit dem vom Publikum bejubelten, latent kitschigen „Flammende Herzen“ gibt es eigentlich nur einen Song zum Verschnaufen. Ansonsten, wie gesagt, läuft die Maschine — und zwar so geschmiert, dass es einem am Ende fast schon zu monoton-hypnotisierend ist, dieses erste Heimatkonzert des von der Musikhörermasse sträflich unterschätzten Lokalmatadoren seit 16 Jahren.

Und hypnotisiert sind so einige: Die halbe Belegschaft der hiesigen Industrial-Ikonen Krupps um Bassist und Buchautor Rüdiger Esch, der jüngst mit „Electri-City“ das Referenzwerk über Elektro-Musik aus Düsseldorf veröffentlichte. Zudem zahlreiche Personen aus dem „alten“ Düsseldorf der Musik-Clubs und Kunst-Kaschemmen, die Esch in seinem Buch zu Wort kommen ließ. Und nicht zuletzt eine Abordnung des von Grönemeyer gegründeten, renommierten Elektro-Labels „Grönland“. Großer Bahnhof im Zakk also. Wenn ein alter Maschinist wie Rother lenkt, dann wollen eben alle mitfahren im ratternden E-Zug.