Goldberg-Variationen: Liebesübungen mitten im Paradies

Aus Taboris Goldberg-Variationen wird im Großen Haus ein klamaukiges und lustvolles Theater übers Theater. Mehr leider nicht.

Düsseldorf. Der Allmächtige kommt mit dem Hubschrauber. Leichtfüßig springt die Lichtgestalt im weißen Anzug ins Rampenlicht. Er ist hier, um die Welt zu erschaffen in sieben Tagen. In sieben Tagen ist Premiere, und außer dem übergroßen Grüß Gott an der Wand steht noch nichts auf dieser Bühne eines Theaters in Jerusalem.

Angekündigt ist nichts Geringeres als die Bibel von der Schöpfung bis zur Kreuzigung. Mr. Jay, der Regisseur, ist ein Unmensch, er kommandiert seinen Assistenten Goldberg herum, erniedrigt die Schauspieler und greift unter jeden Rock, den er zu fassen bekommt. Scheitern, immer scheitern, wieder scheitern, besser scheitern, erklärt Goldberg der Putzfrau, die in hohen Hacken und mit Gummihandschuhen den Boden bearbeitet, worum es im Theater geht. Der verhuschte, dicke Mann in Hochwasserhosen nähert sich dem Nervenzusammenbrauch, und alles wird noch viel schlimmer werden in den kommenden zwei Stunden.

Was Regisseur Tilo Nest mit den sechs Schauspielern im Großen Haus präsentiert, ist in Teilen gut gemachter Klamauk und lustvolles Theater übers Theater. Das Drama aber, das sich zwischen den Personen abspielt, zwischen Gott und den Menschen, zwischen der Vaterfigur Jay und seinem willfährigen Zögling Goldberg, bleibt verborgen. George Tabori wollte mit seiner Komödie unterhalten, bis einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

An diesem Abend amüsiert man sich über die Darsteller als Darsteller, wie sie mit Atemübungen und gegenseitigen Berührungen alle Scham verlieren und im improvisierten Paradies nackt übereinander herfallen. Eine gelungene Travestie-Show im Schlangenleder-Dress liefert Thiemo Schwarz, der die Versuchung verkörpert - zwischen Gummipalme und Pappkostümen. Wer in diesem Spiel das Sagen hat, beweist Karin Pfammatter als selbstverliebter und diabolisch verdrehter Mr. Jay ausgesprochen gut. Ihre zarte Statur steht im gelungenen Gegensatz zur gewichtigen Erscheinung von Rainer Galke als Goldberg. Ihr Jay schreit die Menschen zusammen, wenn sich Widerstand regt. Dann wieder kann sie unversehens die Gnade und das Mitgefühl erschaffen.

Die Bibel, die Liebe, das Leben sind für sie Fragen der Interpretation und können jederzeit von ihr als Chef geändert werden. Ein rührender, poetischer Moment gelingt Hanna Werth, die in beeindruckender Virtuosität in vier verschiedenen Rollen von Putzfrau bis goldenem Kalb zu sehen ist. Sie legt sich dem erschöpften und erniedrigten Goldberg auf den Rücken, der unter der wohlmeinenden Last ihres Körpers zu tanzen beginnt. Leider gibt es davon zu wenig zu sehen, wie auch von den Abgründen, die Tabori mit Blick auf Judenverfolgung und Terror in sein Lustspiel eingebaut hat.