Für Kinder ab acht: Ein Buch über Krieg
Karin Gruß spricht in „Ein roter Schuh“ Themen an, die für Kinder eigentlich in weiter Ferne liegen: Tod und Verletzung.
Düsseldorf. Worum es geht, ist gleich klar: „Die Kinder, die den Angriff überlebt haben, werden gerade abtransportiert.“ Harter Tobak, schon auf der ersten Seite. Es geht um Tote und Verletzte. Doch es geht auch um Hoffnung. Das Bilderbuch „Ein roter Schuh“ von Karin Gruß, illustriert von Tobias Krejtschi (Jahrgang 1980), porträtiert auf wenigen Seiten die Arbeit eines Foto-Journalisten in einem Kriegs- und Krisengebiet. Als die 63-jährige Düsseldorferin ihre Geschichte entwickelte, dachte sie dabei an die Geschehnisse im Gazastreifen.
Ein Schulbus wird beschossen, Kinder auf dem Weg zum Sport verletzt und getötet. Der Ich-Erzähler soll Bilder vor und im Krankenhaus einfangen. Seine Perspektive ändert sich jedoch. Vom distanzierten, professionellen Beobachter zum emotional Beteiligten. Kenan, der da mit Kopfverband auf der Bahre liegt und dessen rechter Fuß getroffen wurde, trägt am linken einen roten Basketballschuh. Den gleichen, den der Fotograf seinem Neffen zum achten Geburtstag geschenkt hat. Plötzlich ist der Fotograf Betroffener.
Überfordert Gruß ihre jungen Leser? Nein, sagt sie und empfiehlt ihr Buch für Kinder ab acht Jahren. „Vorausgesetzt, man spricht mit den Kindern. Sie zu schützen, heißt nicht, ihnen etwas vorzuenthalten, sondern sie zu begleiten und über ihre Ängste zu sprechen.“ Und: Anders als bei Fernsehbildern könnten Kinder das Lesetempo selbst bestimmen.
Gruß’ Buch lebt von der Direktheit. Und von den Illustrationen Krejtschis, die ganz in Schwarz-Weiß gehalten sind. Seine Zeichnungen sind kantig, kontrastreich und hart, transportieren Dynamik. Der einzige Farbklecks: der rote Schuh.
Zurück in die Geschichte: Im Krankenhaus beginnt der Fotograf zu hoffen, der rechte Schuh taucht auf, Kenan steht auf, zieht die Infusion aus seiner Armbeuge, schnappt sich einen Basketball und verschwindet. Es ist das einzig kolorierte Bild. Ein wirksamer Kniff. Doch so ist die Welt nicht, und das sollen Kinder besser früh als spät lernen.
Die Idee zu „Ein roter Schuh“ kam Gruß, als sie im Februar 2009 Berichte über Gefechte im Gaza-Streifen sah. Immer wieder wurde über den Tag hinweg die gleiche Sequenz gezeigt: Ein Junge mit Kopfverband wird in einen Raum geschoben. „Nachts um zwei bin ich aufgewacht und habe die Geschichte aufgeschrieben.“
Krieg ist Ausnahmezustand. Doch für viele ist er eben auch Alltag. Spielen ist da ganz selbstverständlich. Gruß stellt die Situation von Kindern in Krisengebieten dar, vermeidet aber ganz und gar einen moralischen Blick. Sie will Fragen aufwerfen, zum Gespräch auffordern. Und sie möchte zeigen, dass Bilderbuch nicht gleich Kinderbuch ist.
Dies gelingt. „Ein roter Schuh“ berührt und macht betroffen. Doch das ist erst der Anfang. Denn Gespräche mit den Eltern sollten folgen. Für Vorschulkinder ist das nichts, für ältere, mindestens Achtjährige, aber ein guter Anlass zur Auseinandersetzung — sogar für Erwachsene.