Düsseldorf Half past: Puppenstars blicken in kafkaeske Zukunft
Half past selber schuld hat 2016 eine Castingshow bei RTL gewonnen. Die Künstler arbeiten zurzeit in ihrem Atelier in Flingern unter Hochdruck am neuen Bühnencomic.
Düsseldorf. Wer ihm vorher gesagt hätte, du wirst bei einer RTL-Castingshow mitmachen, den hätte Frank Römmele vermutlich für verrückt erklärt. Als Duo Half past selber schuld erfindet der Düsseldorfer mit dem Künstlernamen Sir ladybug beetle zusammen mit Ilanit Magarshak-Riegg seit 2002 Bühnencomics, die sie in Kooperation mit dem Forum Freies Theater (FFT) produzieren. Sie haben damit ein eigenes Genre geschaffen, verbinden Puppen- und Schauspiel, Video und Musik und schaffen so surreale Szenarien mit anrührenden Miniaturen.
2016 kürte der Kölner Fernsehsender Half past selber schuld zum größten Puppenstar. Im Rückblick für Römmele nicht nur ein Riesenrummel, sondern auch eine großartige Erfahrung: „Wenn du normalerweise vor 300 Leuten spielst, und dann sehen dich plötzlich vier Millionen — das ist schon irre.“
Gut ein Jahr später läuft die Half-past-selber-schuld-Maschine wieder auf Hochtouren: In zwei Atelierräumen in Flingern entsteht ein einäugiger Kampfroboter, flügelschwingende Drachen und ein knittergesichtiger Alter; es wird genäht und gemalt, gesägt und geschraubt, immer wieder ausprobiert, verworfen und verbessert. Das Duo ist inzwischen auf eine zehnköpfige Gruppe angewachsen, Puppenspieler, Bildhauer und Choreografen arbeiten Hand in Hand. Sie erschaffen den Kosmos von „Kafka in Wonderland“, den Sir ladybug beetle und Ilanit Magarshak-Riegg erdacht haben.
Ihr Wunderland ist eine hochtechnisierte Science-Fiction-Gesellschaft. „Wir blicken optimistisch in diese Zukunft“, erklärt Römmele. Als übertriebene Dystopie erscheine sie durchaus auch komisch. Dass sich dahinter jede Menge Recherchen verbergen, wird schnell deutlich. So ist die Entscheidung des sterbenden Alten, ob sein Bewusstsein vor dem Ableben per Upload digitalisiert und in eine Cloud transferiert wird, eine Vision, die den Annahmen des Zukunftsforschers Ray Kurzweil folgt — einem führenden Google-Kopf. Römmele ist davon fasziniert: „Ich wäre sofort bereit, alles mögliche auszuprobieren.“
Wie ein harmloses Spielzeug aus Holz und Pappmaché erscheint ein selbstfahrendes Auto in der Werkstatt, auf der Bühne wird es die Zuschauer in moralische Dilemmata bringen. „Wir entscheiden mit der Programmierung, wie es sich verhält. Überfährt es im Zweifel eher eine Gruppe Jugendliche oder einen Arzt mit Hund? Finden wir, dass ein Rotgänger es irgendwie auch verdient hat, überrollt zu werden?“ Dem Menschen bleibt für diese Entscheidung bislang keine Zeit, der Maschine mit großer Rechenkapazität zukünftig schon.
Rund 70 Minuten wird die Produktion dauern, eine Reihe von Szenen, die fünf bis zehn Minuten dauern und dramaturgisch miteinander verbunden sind. Eine Hauptfigur oder eine linear erzählte Geschichte gibt es nicht. Kafka und „Alice im Wunderland“ dienen als Inspiration und nicht als literarische Grundlage.
Noch sind gut drei Wochen Zeit bis zur Premiere, aber die Aufregung und die Arbeitsstunden befinden sich in einer steil ansteigenden Kurve. „Wir sind schon im Panikmodus. Es fühlt sich jedes Mal so an, als wenn es diesmal wirklich eng wird.“ Noch seien die Puppen nicht bemalt, Musik und Film noch im Entstehen.
Immer ausgefeilter und aufwendiger werden ihre Bühnencomics, erklärt Römmele die aktuellen Herausforderungen. So experimentiere Half past selber schuld mit 3D-Schatten auf der Bühne. Die Zuschauer, ausgestattet mit grün-roten Brillen, werden vom Schatten nahezu an die eigene Nase gefasst. Ein Effekt, den das Düsseldorfer Künstlerduo bei einem Besuch in den USA kennengelernt hat und nun erstmals einsetzt — eine echte Premiere also für die Puppenstars.