Düsseldorf Musik mit brachialer Energie und schroffer Expressivität

Geiger Frank Peter Zimmermann und das New York Philharmonic Orchestra spielten in der Tonhalle.

Düsseldorf: Musik mit brachialer Energie und schroffer Expressivität
Foto: Susanne Diesner

Düsseldorf. Die Tonhalle war komplett ausverkauft: Auch auf den Chorplätzen unter der Orgel saßen Konzertbesucher. Gewiss besitzt das New York Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Orchesterchef Alan Gilbert bereits große Anziehungskraft. Immerhin gehört es zu den US-amerikanischen „Big Five“. Doch die Philharmoniker aus der amerikanischen Ostküsten-Metropole hatten noch einen Solisten aus Duisburg dabei: den Geiger Frank Peter Zimmermann. Der Rheinländer gehört zu den bedeutendsten Musikern der Welt, was sich auch ziemlich herumgesprochen hat. Sein Auftritt mit Serge Prokofjews 1. Violinkonzert erwies sich jetzt als erneutes Zeugnis einer Kunst, die weit mehr ist als Zierde, sondern existenzielles Lebensmittel.

Prokofjews Musik, vor allem das 1. Violinkonzert, besitzt Ecken und Kanten. Die Klänge gleiten nicht so leicht ins Ohr wie die von Bruch oder Mendelssohn. Aber sie besitzen brachiale Energie und schroffe Expressivität, die nicht unbedingt Lebensfreude ausdrückt, sondern eher einen Lebenskampf. Da belastet man beim Hören mehr die Stuhlkante als die Rückenlehne. Und Zimmermann ist ein Geiger, der hier alles gibt und seine Kräfte nicht schont. Dann wird Geigespielen zur Berufung, die Opfer abverlangt.

Geiger wirken oft eitel. Zimmermanns süddeutsche Kollegin Anne-Sophie Mutter erscheint als ein Dior gehüllter Schmetterling auf den Podien der Welt und liefert feinstes Hochglanz-Spiel ab. Ihr Kollege aus dem Düsseldorfer Nachbarort macht mehr den Eindruck eines recht robust gebauten katholischen Kantors, der auf Äußerlichkeiten keinen übersteigerten Wert legt. Zimmermanns Ehrgeiz scheint nicht auf die eigene Person zu zielen, sondern auf die Komposition. Das macht ihn zu einem großen Diener der Kunst.

Allerdings gehört hierzu auch ein starkes Selbstbewusstsein — und Willenskraft. Besonders deutlich wird das im schnellen Scherzo-Satz, den Zimmermann mit größter Vehemenz spielt und dabei den Takt vorgibt wie ein Einpeitscher. Er findet aber auch zu ganz feinen Nuancen an sanften Stellen. Und er kann hohe Töne glänzen lassen wie edelste Kristalle. Aber er macht aus seinem Part auch keinen Hochglanzprospekt, sonder poliert die Töne nur dort auf, wo es zur Aussage des Komponisten passt. Für diese unerhörte Darbietung gab es großen Beifallsjubel im Mendelssohn-Saal, belohnt mit einem Bach-Suitensatz als Zugabe.

Mit den New Yorker Philharmonikern hat Zimmermann ein exquisites Begleitorchester, das einen geradezu mondänen Klangrahmen schafft. Technische Perfektion, große Klangfülle, hohe Transparenz und gute Balance zeichnen das Spiel der Amerikaner aus. Gilbert leitet das Orchester schon seit knapp einem Jahrzehnt und hat es fest im Griff. Verglichen mit europäischen Spitzenorchestern klingen die New Yorker aber immer etwas glatt und distanziert. Manchmal fehlt die emotionale Hingabe.

Doch auf dem Programm stehen Stücke, mit denen auch solch ein Orchester weit kommt: Zur Eröffnung erklingt der Orchester-Foxtrott „The Chairman Dances“ des amerikanischen Minimalmusic-Komponisten John Adams (geb. 1947). Auf diesem Klangfeld besitzen die New Yorker Kernkompetenz. Aber auch das große Orchesterwerk nach der Pause, die „Symphonie Fantastique“ von Hector Berlioz ist bei den New Yorkern in guten Händen. Vor allem die beiden letzten Sätze, „Marsch zum Richtplatz“ und „Hexensabbat“ verlangen Virtuosität und Präzision. Beides besitzt das Orchester reichlich, was zu einem symphonisch spektakulären Konzertfinale führte. Abermals tosender Beifall.