Wenn Lehrkräfte fest angestellt werden müssen Viele Musikschulen fürchten Pleite

Düsseldorf · Die Lehrkräfte dürfen seit 2022 nicht mehr ohne Weiteres auf Honorarbasis arbeiten. Auch Düsseldorfer Häuser sind besorgt.

Viele Musikschulen beschäftigen freiberufliche Lehrkräfte auf Honorarbasis.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Droht vielen Musikschulen bald das Aus? Eine Petition des Deutschen Tonkünstlerverbands (DTKV) legt das nahe. „Die Existenz unserer Musikschulen ist bedroht“, heißt es darin. Grund ist ein Urteil des Bundessozialgerichts von 2022, dessen Folgen Musikschulbetreiber vor massive Probleme stellen: Das „Herrenberg-Urteil“ sieht vor, dass Lehrkräfte, die in organisatorische oder administrative Abläufe einer Musikschule eingebunden sind, dort nicht auf Honorarbasis arbeiten dürfen. Andernfalls seien sie scheinselbstständig.

Für die rund 970 öffentlichen und 1500 privaten Musikschulen in Deutschland entstehen durch das Urteil große rechtliche Unsicherheiten. Denn im Prinzip folgt daraus, dass sie ihre Lehrkräfte nicht mehr als Honorarkräfte beschäftigen können, sondern sie fest anstellen müssen. Allerdings arbeiten viele Lehrende in der Musikbranche regulär auf Honorarbasis. Sie alle sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen, ginge für die Musikschulen mit hohen Kosten einher. Viele von ihnen wären gezwungen, zu schließen.

„Grundsätzlich sind besonders die Musikschulen gefährdet, die ohne öffentliche Förderung und mit einem hohen Anteil an Honorarkräften arbeiten“, erklärt Martin Behm, Vizepräsident des DTKV-Landesverbands Brandenburg. Aber auch öffentliche Musikschulen müssten ihr Angebot einschränken, wenn die Finanzierung nicht aufgestockt werde. Der DTKV hat deshalb eine Petition eingereicht, in der er eine Gesetzesinitiative fordert. Das „Herrenberg-Urteil“ gefährden die Existenz Zehntausender Freiberufler und Soloselbstständiger – und damit „ein über Generationen gewachsenes Bildungs- und Kultursystem“.

Zusätzlich verschärft wird die Situation laut dem DTKV dadurch, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) die derzeit freiberuflich tätigen Lehrkräfte an den Musikschulen seit dem Herrenberg-Urteil zunehmend als scheinselbstständig einstuft. Das hat zur Folge, dass einige Schulen von der DRV existenzgefährdende Rückzahlungsforderungen in fünf- bis sechsstelliger Höhe erhalten. Aktuell gelte allerdings ein Moratorium, welches unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit der DRV ausgehandelt worden sei, sagt Martin Behm. Dieses gelte bis zum Sommer 2025.

Nichtsdestotrotz ist die Unsicherheit bei den Musikschulen groß. „Es gibt jetzt zwar eine leichte Entwarnung, aber man weiß nicht, wie sich das weiterentwickelt“, sagt Eric Harings, Inhaber der Musiker-Akademie Düsseldorf, der die Petition des DTKV unterschrieben hat. Das „Herrenberg-Urteil“ sei eigentlich eine Einzelfallentscheidung gewesen, bei der die Klägerin, eine auf Honorarbasis an einer Musikschule beschäftigte Lehrkraft, recht bekommen habe, erläutert Harings. „Doch jetzt haben natürlich alle Musikschulen Angst, dass weitere Leute klagen und das zur Folge hat, dass ihre freiberuflichen Musiklehrer fest anstellen müssen.“

Nicht jeder Freiberufler
möchte Angestellter werden

Eine Angst, die offenbar auch manchen Freiberufler umtreibt. Denn nicht jeder Musiker, der ein- oder zweimal wöchentlich an einer Musikschule unterrichtet, will dort als Angestellter tätig sein. „Als Künstler will man auch die Freiheit haben, Aufträge annehmen und ab und an Engagements wahrnehmen zu können“, sagt Stephan Wallrich, der als Inhaber der Gitarrenschule in Gerresheim selbst fast ausschließlich Honorarkräfte beschäftigt. Ein Modell, das sich für ihn bewährt hat: „Seit 2008 beschäftige ich Musiklehrer auf Honorarbasis. Ich brauchte mir nie Gedanken darüber zu machen, was es bedeuten könnte, wenn ich die alle fest anstellen müsste“, erklärt er.

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Eric Harings kennt noch eine andere Sorge der Freiberufler: „Wer als Musiker gezwungen wird als Angestellter zu arbeiten ohne, dass er das will, der ist auch gezwungen in die Rentenkasse erheblich einzuzahlen. Das wäre der Tod vieler selbstständiger Musiker.“ Freiberufler, die in der Regel wenig verdienten, seien bis auf wenige Ausnahmen über die Künstlersozialkasse renten- und krankenversichert: „Als Musiker zu überleben ist sehr schwer. Wir sind alle Einzelkämpfer, wir liegen dem Staat aber nicht auf der Tasche, sondern sind gut versorgt durch die KSK.“

Für Harings steht außer Frage, dass eine Pflicht zur Festanstellung von Honorarkräften gravierende Folgen mit sich bringen würde. „Wenn sie alle Lehrer anstellen müssten, wären alle Musikschulen mit einem Schlag pleite. Es sei denn, man schlägt das auf den Preis für den Musikunterricht auf.“ Dann könnten sich allerdings nur noch wohlhabende Menschen Musikunterricht leisten, sagt Harings: „Dann kommen die Leute nur noch aus Urdenbach, und nicht mehr aus Reisholz oder Wersten.“

(lav los)