Porträt Federleicht an die Ballettspitze: Norma Magalhães – die faszinierende Reise einer Primaballerina

Düsseldorf · „Ich spiele sie nicht, ich will sie sein“: Die brasilianische Balletttänzerin Norma Magalhães über Düsseldorf, Martin Schläpfer und ihr Selbstverständnis als Künstlerin.

Gustavo Carvalho und Norma Magalhães in „Visions Fugitives“

Foto: Roman Novitzky

Hochgewachsenen Ballerinen mit langen Beinen prophezeiten vor Jahrzehnten Fachleute meist eine Karriere am Pariser Lido. Mit 1,71 Meter hätte Norma Magalhães eventuell damals auch ein Angebot als Tänzerin aus dem berühmten Nachtclub erhalten. Doch heute sind große Solisten auch in modernen Ballett-Kompanien zu finden. Tänzerpersönlichkeiten sind gefragt. Zumal, wenn sie eine so starke Bühnenpräsenz und so eine makellose klassische Spitzentanz-Technik besitzen wie die gebürtige Brasilianerin.

Vor 14 Jahren erhielt Norma Magalhães ein Stipendium für die Mannheimer Tanzakademie, wurde dort von der einstigen Cranko-Ballerina Birgit Keil trainiert. Von der Ballettakademie wurde Magalhães 2015 von Martin Schläpfer für das Ballett am Rhein engagiert. Seitdem tanzt sie in vielen Choreografien als Solistin.

So wurde sie gerade gefeiert: von Publikum und Presse als Stiefmutter im Ballett „Ruß“ – einer dramatisch aufregenden Fassung des Aschenputtel-Balletts „Cinderella“. In der Kreation von Düsseldorfs neuer Chef-Choreografin Bridget Breiner, die damit bereits 2013 den deutschen „Faust“-Theaterpreis gewann.

Norma Magalhães und und Bridget Breiner zeigen Aschenputtels Stiefmutter als starke, ernste Frau und Witwe, die ein hartes Leben hat und in ihrer neuen Ehe für ihre zwei Töchter sorgen muss. Die Tänzerin geht in dieser Rolle auf: „Ich spiele sie nicht, ich will sie sein“, sagt sie. Bestechend bei Norma Magalhães sind die fließenden Linien einer extrem grazilen, klassischen Primaballerina, die, trotz ihrer 1,71 Meter, auch in den Pas-de-deux-Hebefiguren wie eine Feder wirkt. Genauso überzeugt sie allerdings auch in abstrakten Balletten von Martin Schläpfer oder Hans van Manen. Was sie lieber tanzt? „Beides gleich gerne. Keine Präferenzen!“ Hier gestalte sie einen Charakter, wie auf der Theaterbühne, dort diene sie dem Choreografen wie ein Instrument. Das mag wie die ausweichende Antwort einer karrierebewussten Ballerina klingen. Doch wer Norma Magalhães auf der Bühne erlebt, spürt, wie stark sie sich in beiden Genres (Handlungs- und abstraktes Ballett) entwickelt, immer noch steigern und den Zuschauer in eine andere Welt entführen kann.

Hinter der zerbrechlich wirkenden Schale verbirgt sich eine selbstbewusste Frau, die von Anfang an den Traum verwirklichen wollte, Tänzerin zu werden. Das spürten ihre Eltern, als sie das Ticket von Brasilien nach Frankfurt bezahlten. Obwohl Papa Magalhães anfangs in seiner Tochter eher eine ideale Basketballspielerin sah. Doch die Eltern ließen ihre Tochter ziehen. Schweren Herzens. Weg aus ihrer Heimat, einem kleinen Dorf in der Nähe von Sao Paulo, nach Europa. „Ich habe großes Glück gehabt“, sagt sie, „dass ich auf Anhieb in eine der führenden Kompanien Deutschlands aufgenommen wurde. Vorher gab es noch einen kurzen Zwischenstopp in Gera. „Eine wichtige Erfahrung. Aber: In Ostdeutschland habe ich mich nicht so wohl gefühlt wie im Rheinland.“

Sie schwärmt von der Atmosphäre im Balletthaus in Düsseldorf-Bilk mit den vielen Probenräumen, Ballettmeistern und großzügigen Trainingsbedingungen. „Wir sind eine Familie. Ich kenne die Sorgen der anderen und wir helfen uns gegenseitig.“ An ihr Vortanzen bei Martin Schläpfer erinnert sie sich noch gut. Und an seinen Ratschlag: „Just be you.“ Auf dem Rückweg nach Gera, noch am Düsseldorfer Bahnhof, erhielt sie damals über WhatsApp Schläpfers „Go“. Was ihr Lieblings-Ballett mit Martin Schläpfer war? Spontan sagt sie, „Mahler 7“ – die siebte Symphonie von Gustav Mahler.

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Wie lange ihre Bühnenkarriere dauern kann? Das sei, wie bei allen Tänzern, schwer abzuschätzen. Welche Alternative sieht sie für sich? „Hebamme.“ Norma Magalhães: „Die Ausbildung würde ich beginnen, wenn ich die Spitzenschuhe an den Nagel hängen müsste. Egal, wie auch immer die Alternative zum Beruf der Tänzerin lauten würde: Was Sie am meisten vermissen würde? „Meine Kollegen, die Atmosphäre im Ballettsaal, die Bühne – und natürlich die Musik.“