Noch bis Ende Dezember Ein letztes Mal „Dunkeldorf“ im 34 Ost

Düsseldorf · Dieses Jahr jährte sich der Sprengstoffanschlag vom Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn zum 24. Mal. Das Stück „Dunkeldorf“, das sich mit der Erinnerung an die Tat befasst, ist nur noch bis Ende des Jahres im „34 Ost“ zu sehen. Dann wird das Kulturzentrum geräumt. Ein letzter Besuch.

Dass das 34 Ost keine gewöhnliche Bühne bietet, wird schon beim Reinkommen klar. Denn die fängt quasi direkt rechts neben dem Eingang ebenerdig an, abgetrennt nur durch leichte Erhöhungen an den Rändern. Dahinter erstreckt sich ein langer, weitläufiger Raum, an der niedrigen Decke flirrt das kühle Licht von Lampen, die an eine Zahnarztpraxis erinnern.

Bald ist jedoch Schluss mit diesem so einmaligen Ambiente. Das Immobilienunternehmen Pandion hatte dem Asphalt-Festival ab 2023 die ehemaligen Geschäftsräume eines Elektronikfachmarkts an der Oststraße 34 zur Verfügung gestellt. Ende des Jahres läuft diese Vereinbarung aus. Bis dahin soll die Zeit noch genutzt werden: Im Dezember wird zum vorerst letzten Mal „Dunkeldorf“ zu sehen sein. Das Theaterkollektiv Pièrre Vers hatte das Stück über den Sprengstoffanschlag im Juli 2000 am Wehrhahn erstmals im Juni vergangenen Jahres beim Asphalt-Festival uraufgeführt. Bei dem Anschlag wurden zehn Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt, und eine schwangere Frau verlor ihr Kind. Alle Opfer hatten einen Migrationshintergrund, viele von ihnen waren jüdisch.

Die Inszenierung hangelt sich an den realen Geschehnissen der Tat entlang und greift die verschiedenen Perspektiven eines Polizisten (Alexander Steindorf), eines Antifa-Aktivisten (Daniel Fries), einer Journalistin (Julia Dillmann) und der Sozialarbeiterin einer jüdischen Gemeinde (Azizè Flittner) auf, die mit dem damaligen Geschehen befasst waren. Die Charaktere haben ihre Agenden und hören einander nicht zu – vor allem die Sozialarbeiterin, die stellvertretend die Perspektive der Opfer vertritt, wird ständig übergangen und unterbrochen.

Die außergewöhnliche Gestaltung der Bühne verstärkt das mosaikartige, zerstückelte Spiel: In einer langen Fluchtperspektive kann man die Schauspieler durch den großen Raum verfolgen – dadurch, dass ihr Spiel live an sieben Bildschirmen übertragen wird, sogar bis in den letzten Winkel, der vom Zuschauerbereich gar nicht einsehbar ist. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen, zuerst zuhören soll, und das ist auch so gewollt, spiegelt es doch die Orientierungslosigkeit angesichts der Welle an Meinungen und Spekulationen nach dem Anschlag wider.

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Die Frustration aller, vor allem aber der Sozialarbeiterin wächst, als kein offizieller Täter ermittelt wird und auch ein Gerichtsverfahren ins Leere läuft, auch wenn viele Spuren auf einen bestimmten Täter aus der rechtsextremen Szene verweisen. Schreiend prangert sie an: „Die Gesellschaft will damit nichts zu tun haben – weder mit den Nazis noch mit den Juden“ – und greift dabei auf, wie die Stadtöffentlichkeit das Interesse an dem Anschlag und seiner Aufklärung verloren habe. Harter Tobak, für den die Inszenierung gekonnt den richtigen Ton zwischen der nötigen Ernsthaftigkeit, anklagender Schärfe und kleinen Momenten des „Comic Relief“ zum Durchatmen trifft.

Info Die letzten Vorstellungen, für die es noch Tickets gibt, finden am Mittwoch, 11. Dezember, und Samstag, 14. Dezember, um jeweils 19 Uhr statt. Karten gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen und unter www.asphalt-festival.de.

(ckoe/ saja)