„Das Gauklermärchen“ im Düsseldorfer Marionetten-Theater Poetische Reise ins Reich der Fantasie

Düsseldorf · Nach achtjähriger Pause ist „Das Gauklermärchen“ von Michael Ende wieder im Düsseldorfer Marionetten-Theater zu erleben.

Die Gauklertruppe um Clown Jojo (2.v.l.) bangt um ihre Existenz.

Foto: Georg Salzburg(salz)/Georg Salzburg

„Momo“, „Jim Knopf“, „Die unendliche Geschichte“: All das sind Klassiker, für die der deutsche Schriftsteller Michael Ende weltbekannt ist. Sie alle gehören zum Repertoire des Düsseldorfer Marionetten-Theaters, das die Werke des 1995 verstorbenen Autors seit Jahrzehnten immer wieder auf die Puppenbühne bringt. Ende war dem im Palais Wittgenstein ansässigen Theater unter künstlerischer Leitung von Anton Bachleitner zu Lebzeiten eng verbunden.

In diesem Jahr jährt sich Endes Todestag zum 30. Mal, doch seine Geschichten, die oftmals für Film, Fernsehen und Theater adaptiert wurden, haben bis heute nichts von ihrer Faszination verloren. Das gilt auch für „Das Gauklermärchen“, das zu den weniger bekannten Werken Endes zählt.

Im Düsseldorfer Marionetten-Theater feierte „Das Gauklermärchen“ 1998 seine Uraufführung. Gespielt wurde die Inszenierung des 1982 veröffentlichten Werkes allerdings vergleichsweise selten. Was schade ist, denn das Zauberspiel mit der eigens dafür komponierten Musik des Orff-Schülers Wilfried Hiller ist lyrisch und philosophisch zugleich. Ein guter Grund für Anton Bachleitner, „Das Gauklermärchen“ nun nach acht Jahren Pause wieder ins Programm zu nehmen.

„Das ist ein interessantes Stück von Ende, dem ja immer wieder Eskapismus vorgeworfen wurde“, sagt Bachleitner. „Er zeigt darin, wie ein Problem, das in der Realität besteht, in der Fantasiewelt gelöst werden kann.“ Ende hat sein Gauklermärchen als ein Spiel in sieben Bildern konzipiert. Es dreht sich um eine Artistentruppe, deren Zirkus am existenziellen Abgrund steht. Mit ihren letzten verbliebenen Wagen campiert die Gruppe um den Clown Jojo auf einem Gelände unweit einer chemischen Fabrik. Doch auch dieser letzte Zufluchtsort ist bedroht, denn der Chemiekonzern hegt Expansionspläne.

Überraschend bekommen die Gaukler von der Firmenleitung einen lukrativen Vertrag als Werbezirkus angeboten. Alle Sorgen scheinen vergessen. Wäre da nicht eine Bedingung, die der Konzern an den Vertrag knüpft: Die Gaukler sollen Eli, ein kognitiv beeinträchtigtes Mädchen, das die Truppe nach einem Chemieunfall im Straßengraben aufgelesen hat, in ein Heim geben. Aus Angst vor der Zukunft sind die Gaukler schon fast bereit, sich von Eli zu trennen. „Dann erzählt Jojo ihnen ein Märchen, und danach ist klar, wie sie sich entscheiden“, sagt Bachleitner, dem Ende schon 1982 sein Gauklermärchen für die Inszenierung im Puppentheater ans Herz gelegt hat. Bei der Umsetzung hat er sich eng an die Inszenierungsvorgaben des Autors gehalten.

„Die Rahmenhandlung der Geschichte, die in der Realität stattfindet, spielen wir im Vordergrund der Bühne mit direkt geführten Tischfiguren“, erklärt Bachleitner. Dann blenden wir über auf die Märchenhandlung, die auf der Marionetten-Bühne gespielt wird.“ Und so tauchen die Zuschauer in die märchenhafte Welt der unsterblichen Prinzessin Eli und des Zauberspiegels Kalophain ein. Eli, die allein in einem Glasschloss lebt, hat als Gefährten nur die Spiegelbilder, die ihr Kalophain von seinen Reisen über das Firmament mitbringt. Als Eli eines Tages das Spiegelbild des Prinzen Joan aus dem Morgenland erblickt, verliebt sie sich unsterblich und sendet Kalophain aus, um den Prinzen zu finden. Doch als der Zauberspiegel der bösen Spinne Angramain ins Netz gerät, schließen die zwei einen folgenschweren Pakt.

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All das haben Bachleitner und seine Kollegen für die Marionetten-Bühne kunstvoll und mit viel Liebe zum Detail inszeniert. Wenn die Spinne Angramain zu den sphärischen Klängen von Wilfried Hillers Bühnenmusik über ihr Netz tänzelt und der sprechende Zauberspiegel Kalophain über dem gläsernen Schloss der Prinzessin schwebt, ist das im wahrsten Sinne des Wortes zauberhaft. „Wir sind als Puppenspieler sehr gut geeignet, gerade die Werke von Michael Ende zu interpretieren“, sagt Anton Bachleitner. „Wir haben kein Problem, eine Riesenspinne auftreten zu lassen, etwas fliegen zu lassen oder zu verwandeln. Das Schöne ist, dass wir so für zwei Stunden eine eigene Welt entstehen lassen können.“

Für die jüngsten Marionetten-Fans ist diese mitunter unheimliche Zauberwelt allerdings nur bedingt geeignet. Bachleitner empfiehlt deshalb den Besuch des Stückes erst ab einem Alter von zehn Jahren. „Wir sind eben kein Kindertheater, sondern eines der wenigen Marionettentheater, die hauptsächlich für Erwachsene spielen“, erklärt er. Was denn dann auch zu den Werken von Michael Ende passe, die fälschlicherweise oft als reine Kinderbücher betrachtet worden wären. Er schreibe eigentlich nicht für Kinder, soll Ende mal gesagt haben, sondern für das Kind in jedem Menschen.

(lav)