Performance Hartmanmuellers „Die Schöpfung“ begeisterte
Düsseldorf · Die Uraufführung im kleinen Saal des Tanzhauses zeigte die herausragende Qualität des Düsseldorfer Duos.
Bei aller Humor-, Bild-, Bewegungs- und Klanggewalt, die die Arbeiten des Düsseldorfer Duos Daniel Ernesto Mueller und Simon Hartmann – kurz Hartmannmueller – haben, durchströmt ihre Kunst eine sanfte, fast zerbrechliche Poesie, eine feinsinnige, auch mal spielerische Leichtigkeit, die aber zugleich in Melancholie umschlagen kann. Ganz ähnlich, wollte man einen Vergleich aus der Musik heranziehen, wie etwa bei dem Schaffen eines Franz Schubert, bei dem auch Humor, erhabene ästhetische Größe, leichte sanfte Lyrik und in jedem Moment auch die Gefahr einer drohenden Eintrübung in ein innerlich verschlossenes Moll mitschwingt.
Diese Qualitäten waren auch bei ihrem jüngsten Projekt am Tanzhaus omnipräsent. Ein perfektes Gespür für Timing, eine Nase für eine schön an der Schwelle zwischen Skurrilität und ästhetischem Pathos balancierendes Heraufbeschwören von Stimmungsbildern, die ganz harmonisch ineinander fließen und ein philosophischer Überbau, der aber nicht durch ein pseudointellektuelles „Zeigenwollen“, sondern durch vielschichtige symbolische Verweise konstituiert wird, machen „Die Schöpfung“ auch erneut zu einem Meisterwerk zeitgenössischer performativer Kunst. Typisch für Hartmannmueller ist einerseits ein in seiner Vielschichtigkeit konsistent „spielerisches“ Setting – hier eine Art Laboratorium oder vielleicht eher ein ritueller Raum, in dessen Mitte ein großes Regal steht, das mit Pflanzen und Wassergefäßen, mit Utensilien verschiedener Art versehen ist und ein wenig wie das durch Wasser am Leben erhaltene Herz der Performance fungiert. Umgeben ist es von „Spotlights“ – filmische Mittel, wie effektvolle Fokussierung, die „große Leinwand“, indes ohne jegliche Video-Technik, mit kraftvollen Klängen und Bildern, auch erzeugt durch geschickten Schattenwurf schwingen zumindest latent oft bei Hartmannmueller mit.
Weitere Fokuspunkte sind von der Decke hängende Eisquader, die beleuchtet werden können und die langsam dahinschmelzend ihre Tropfen in darunter gestellte Glasbehälter platschen lassen. Holz, ebenfalls von der Decke hängend und in totem Zustand als ein Haufen – eine Art Lagerstelle – zusammengekehrt, ein „verkleideter“ toter Baum. Zentrale Rolle spielen die Elemente, Wasser, Erde, Luft – mittels eines Ventilators – und Feuer oder wie in diesem Fall Licht.
Zudem spielt Magnetband – bei der letzten Arbeit der beiden war es übrigens Tape – eine tragende Rolle als Material, das in Dialog mit Hartmanns Körper trifft, aber auch als Symbol; vielleicht für das lange Band der Erinnerung an eine „frühere“ Zeit, die einen dann schließlich einholt, übermannt oder mit der man auch spielen kann, wie mit einem Knäuel.
Wohldosiert spielen die beiden, die in ihren Bewegungen immer etwas Herantastendes und schließlich aus der Neugierde Herausbrechendes haben, mit Gesten der Verwandlung, der Transformation. Das aus symbolbeladenen Texten, auch aus Schöpfungsgeschichten zitiert wird, ist die eine Ebene. Die andere ist der Kern dieser Performance: Nach einer Katharsis – ein Moment, das sich öfters durch ihre Arbeiten zu ziehen scheint –, Gewitter, Posaunen-Klänge, die an das jüngste Gericht erinnern, entsteht aus Suchen nach Sinn ein Motiv der Befreiung. Doch hierzu müssen beide zu der Keimzelle zurückkehren, am Boden sitzend vor einem Kassettenrekorder mit Musik. Und singen, wie die Nachtigall, die das Ende der Welt verkündet. Und natürlich gibt es da noch viel mehr. Mit 60 Minuten findet man einen stimmigen zeitlichen Rahmen – was nicht allen zeitgenössischen Choreografen gelingt. Ein überwältigender Abend. Bravo. Nochmal am Samstag (20 Uhr) und Sonntag (18 Uhr).