Interview: Deutschlandmärchen im Theater

Ein neues Stück zieht Parallelen zwischen Märchen und Macht.

Düsseldorf. Das Duo Bernadette LaHengst und Till Müller-Klug hat mit Stücken, die Originaltöne berühmter Politiker benutzen, Furore gemacht. Jetzt kommen sie mit ihrem „Deutschlandmärchen“ ins Forum Freies Theater. Ein Gespräch mit Till Müller-Klug.

Herr Müller-Klug, was hat Politik mit dem Märchen zu tun?

Till Müller-Klug: Ein positiv besetzter Mythos wie die soziale Marktwirtschaft hat inzwischen einen Märchencharakter angenommen. Das überspitzen wir, indem wir es direkt mit den Märchen der Gebrüder Grimm in Beziehung setzen.

Welche Märchen benutzen Sie?

Müller-Klug: Im Zentrum steht „Frau Holle“, in dem die fleißige Tochter mit einem Kessel voll Gold belohnt und die faule mit dem Kessel voller Pech bestraft werden. Daraus ergeben sich viele Anknüpfungspunkte zur Leistungsgesellschaft. Darüber hinaus beziehen wir uns noch auf „Hänsel und Gretel“ und „Schnettwittchen“.

Kennzeichen Ihrer Arbeit sind Original-Ton-Montagen.

Müller-Klug: Wir arbeiten diesmal mit O-Tönen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie übernimmt die Rolle der Bundesmärchenerzählerin, die durch diesen Märchenpark führt. Zugleich ist sie die Chefin des Themenparks und scheucht die drei Angestellten herum. Es geht uns dabei nicht um Angela Merkel als Person, sondern um eine Kunstfigur, die wir mit Hilfe der O-Töne erschaffen.

Woher kommt Sie Ihr Material?

Müller-Klug: Seit Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, veröffentlicht sie jede Woche eine kurze Ansprache zu aktuellen Themen als Podcast. Das ergibt einen Fundus von etwa 200 Reden. Wir haben ausschließlich dieses Originalmaterial benutzt, es wurde nichts nachgesprochen oder imitiert.

Angela Merkel hat doch sicher nicht über das Thema „Autoscooter“ gesprochen.

Mülle-Klug: Sie hat viel über die Automobilindustrie gesagt und das haben wir entsprechend zusammen geschnitten. Wir manipulieren in den Reden mitunter massiv, teilweise Silbe für Silbe, Buchstabe für Buchstabe, damit dann etwas wie „Autoscooter“ herauskommt.

Was unterscheidet Ihre Manipulation von der Politik?

Müller-Klug: Wir machen eine Art von Gegenmanipulation, verstecken aber unsere Arbeitsweise nicht. Dass „Knusper, Knusper Knäuschen“ derart holprig klingt, dass man also die Montage hört, ist gewollt. Zugleich klingt Merkel dadurch ein wenig wie diese etwas hölzernen Figuren in den Schaukästen der Märchenparks.