Zu einer Schau in K21. Aller Anfang war selbst für John Baldessari schwer
Düsseldorf · Wie Konrad Fischer, Klaus Honnef und Harry Szeemann zu Machern des Kunstmarkts wurden. Zu einer Schau in K21.
Der kalifornische Konzeptkünstler John Baldessari (1931-2020) hatte das Glück, zum richtigen Zeitpunkt von den richtigen Leuten entdeckt zu werden. Das wird aus einer kleinen, eher unspektakulären Ausstellung in K21 deutlich, die von Maria Müller-Schareck aus bloßem Schriftmaterial zusammengestellt wurde. Sie zeigt, dass schon vor einem halben Jahrhundert eine Handvoll Strippenzieher das Geschehen in den Kunstzentren bestimmte. Die Helden von einst waren Konrad Fischer, Klaus Honnef aus Aachen und der Berner Kunsthallenchef Harald Szeemann. Sie brauchten keine Hundertschaften von Fachleuten und Unsummen von Geldern, um eine Documenta zu stemmen.
Baldessari beschloss 1970, seine zwischen 1953 und 1966 entstandenen Gemälde zu verbrennen. „Cremation Project“ nannte er diese radikale Aktion. Sie war jedoch nicht das Ende seiner künstlerischen Tätigkeit, sondern der Neubeginn einer anderen Bildproduktion. Er arbeitete nun mit Montage, gefundenen Fotos aus Film und Massenmedien und würzte alles mit seinem Humor. Seine ironische Auseinandersetzung mit gängigen Trends gipfelte schließlich im Goldenen Löwen bei der 53. Biennale von Venedig und im Kaiserring der Stadt Goslar. Er hatte einen wichtigen Einfluss auch auf Düsseldorf, denn die Akademie-Professoren Rita McBride und Christopher Williams hatten bei ihm studiert.
Wir trafen Baldessari 2007 in Bonn, wo ihn Beethovens Hörrohr faszinierte. Eigentlich war es weniger das Objekt als die Tatsache, dass ein schwerhöriger Mensch noch so wunderbar komponieren konnte. Baldessari lieferte jedoch nur die Ideen zur Kunst und ließ sie von Stephen Beyer ausführen. Dieser Fachmann aus New York nahm Beethovens Bonner Hörrohr ab, scannte es, vergrößerte es im CAD-System, goss es in Kunststoff ab, stabilisierte es in Aluminium und patinierte es in Bronze. Es entstand eine Sechser-Edition, die man sich für K21 hätte ausleihen können, um den Nachgeborenen zu zeigen, wes Geistes Kind dieser Baldessari war.
Leider geht es in K21 nur um die reine Lehre. Der Raum im ersten Stockwerk des ehemaligen Ständehauses, ein ursprünglich lichtdurchfluteter Saal, ist verhängt. Dort lagert in tristen, grauen Kästen das Archiv von Dorothee und Konrad Fischer. Es wurde vom Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (ZADIK) erschlossen und digitalisiert. Studenten, Kunsthistoriker und natürlich auch die Besucher könnten, wenn sie wollten, über die Personensuche einzelne Dokumente selbst auswählen und lesen. Auch Fundstellen gibt es, so dass sich noch viele Doktorarbeiten daraus entwickeln lassen.
Die Kuratorin Müller-Schareck präsentiert eine Lese-Schau. Die Korrespondenz der Akteure lässt sich in Vitrinen und Schaukästen verfolgen. Dabei spielt Konrad Fischer verständlicherweise eine besondere Rolle. Er hatte unter dem Namen Konrad Lueg (Lueg ist eine steinreiche Familie aus Düsseldorf) Malerei studiert und German Pop Art gemacht, bevor er 1967 vor die Tordurchfahrt an der Neubrückstraße 12 in der Düsseldorfer Altstadt Glaswände einzog, als Galerist startete und der Minimal Art und Konzeptkunst ein Forum gab. 1969 betreute er erstmals „Prospect“ in der Kunsthalle zusammen mit dem damaligen Kunstkritiker Hans Strelow.
Im Oktober 1971 zeigte Fischer Baldessari in seiner Handtuch-Galerie. „Ingres und andere Parabeln“ gab es zum Einstand. Keine Bildkunst also, sondern Texte. Da fühlt sich etwa ein Mann zum Künstler berufen, macht Stillleben und menschliche Figuren, aber merkt, wie alles so aussieht wie bei anderen Künstlern. Daraufhin beschließt er, sich als Dieb zu betätigen. Nacht für Nacht schleicht er nun zu einer Skulptur im öffentlichen Park und entfernt jeweils ein Stück, um es durch eine andere Substanz zu ersetzen. Er tut dies so lange, bis die gesamte Skulptur mit fremdem Material gefüllt ist. Kurzum, der arme Teufel stiehlt die Kunst. Und Baldessari präsentiert zugleich die Moral von der Geschichte und schreibt: „Kunst ist nicht in den Dingen, sie ist in der Luft.“
Dies ist der Startschuss zur „Ideenkunst“. Unter diesem Titel organisiert Harald Szeemann die Documenta 5. Hier wird es spannend in der kleinen Düsseldorfer Schau. Am 11. Mai 1971 lädt Szeemann Konrad Fischer und Klaus Honnef ein. Jeder erhält 4000 DM, was etwa dem Fünf-Monats-Lohn eines Bankdirektors zur damaligen Zeit entsprach. Dafür sollten sie das Konzept und den Kostenvoranschlag liefern, ans Ausstellungsmaterial denken, bei der Einrichtung und der Betreuung der Künstler behilflich sein.
Damit noch nicht genug, sollten sie den Katalogtext plus Abbildungen und Infos liefern. Und zwar ganz flott. Heute, im Zeitalter des Delegierens, wären dazu Hundertschaften von Mitarbeitern, Assistenten und Assistenten der Mitarbeiter nötig, denn das System der Kunst ist aufgeblasen.
Prompt wird Baldessari von Fischer und Honnef eingeladen. Das Duo brummt ihm nun seinerseits die Aufgabe auf, für biografische und bibliografische Infos zu sorgen und einen Text mit 350 Worten zu verfassen oder schreiben zu lassen. Das Ticket nach Kassel müsse er selbst bezahlen, aber der Aufenthalt sei gratis. Fischer verspricht ihm dabei auch weitere Ausstellungen in seiner eigenen Galerie.
So nimmt die Konzeptkunst ihren Lauf. Sie wird in Leverkusen und Basel gezeigt. Das Nachrichtenmagazin Spiegel unkt schon, dass Künstler den Pinsel weglegen und vor die Kamera treten. Was Baldessari allerdings 1971 als Video unter dem Titel „I am making art“ produziert, ist verwackelt und unscharf. Dieses einzige Opus in K21 ist nicht der Rede wert. Aber aller Anfang ist schwer.