Kunst im öffentlichen Raum Das „Zeitfeld“ von Klaus Rinke ist längst weltberühmt

Düsseldorf · Die 24 Uhren am Volksgarten sind ein Wahrzeichen Düsseldorfs.

Das „Zeitfeld“ von Klaus Rinke im Volksgarten.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Regelmäßig rauschen die Züge von Köln nach Düsseldorf am Volksgarten vorbei. Und immer wieder erheben sich Fahrgäste von ihren Sitzplätzen, um die 24 Bahnhofsuhren von Klaus Rinke zu betrachten. Im Winter, wenn die Baumkronen kahl sind, haben sie von der erhöhten Gleisrampe aus den besten Blick aufs „Zeitfeld“. Die Inszenierung am Eingang zum Volksgarten, Auf‘m Hennekamp, ist Düsseldorfs berühmtestes Kunstwerk im öffentlichen Raum.

Bei jeder Veränderung von Sommer- und Winterzeit werden die Uhren abgebildet, die wie Zinnsoldaten gen Himmel ragen. In Hawaii tauchten sie inzwischen sogar auf Titelseiten auf, wenn auch ohne Namensnennung ihres Schöpfers. Rinke, der 30 Jahre Akademieprofessor in Düsseldorf war, stört das nicht. Am Telefon erklärt er: „Ich finde das sehr gut. Mein Zeitfeld ist Allgemeingut geworden. In London imitiert man mich sogar inzwischen.“ Dennoch musste er einst gegen den massiven Widerstand aus der Bezirksvertretung kämpfen, als es um den Standort der Uhren ging.

In den 1980er Jahren hagelte es Proteste von Bezirksvertretern und Mitgliedern des Oberbilker Heimatvereins. Die Stadtteilpolitiker ärgerten sich, dass sie bei der Bundesgartenschau nichts zu sagen hatten, wo doch der Volksgarten eine „bezirkliche Anlage“ ist. Bezirksvorsteher Heinrich Traupe meinte damals: „Wir wollen nicht, dass der Volksgarten ein völlig anderes Gesicht bekommt. Wir wollen den alten Park für einen normalen Gebrauch behalten.“ Selbst im Benrather Rathaus lief man Sturm gegen die Buga, weil der „Werstener Zipfel“ in die Buga einbezogen wurde. Dabei war diese Bundesgartenschau ein Segen für die Stadt, denn es gab Bundesgelder für ihre Ausgestaltung.

Es war das letzte Mal, dass ein Fachmann für Kultur die Geschicke im öffentlichen Raum managte. Klaus Schrenk organisierte als stellvertretender Leiter der Kunsthalle die Kunst in der Bundesgartenschau. Er traf die Auswahl der Künstler nach strengen Qualitätsmaßstäben und vermied jede Vereinsmeierei. Später avancierte er zum  Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Wie „Blumen im Park“ wollte Rinke die Uhren aufstellen. Mitten im Volksgarten ging das nicht. Der Kompromiss war ein Teilstück des Parkplatzes, das heute grüne Wiese ist und vom Gartenamt gut gepflegt wird. Lediglich zwei Info-Tafeln nehmen den Fußgängern die Sicht auf die Totale aller Uhren. Darauf liest man Werbung für Yoga und Fastenwandern, aber auch für den marxistisch-leninistisch orientierten Jugendverband „Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend“ (SDAJ). Eine Info über die Kunst vor der die Tafeln stehen, gibt es allerdings nicht.

Beim Aufbau seiner Kunst sah Rinke viele alte Frauen in dunkler Trauerkleidung über den Platz laufen. Sie waren auf dem Weg zum Stoffeler Friedhof. Später erfuhr er, dass am Stoffeler Kapellenweg Düsseldorfs erstes KZ-Außenkommando lag, wo 112 Menschen Opfer des Nazi-Terrors wurden. So kam das Todesmotiv zum Uhrenmotiv hinzu. Auf einer Tafel im Rasen steht „Alles hat seine Zeit ach du Liebezeit“. Alles ist vergänglich, auch die Zeit der Liebe.

Klaus Rinke liebt Uhren. In der Regel trägt er noch heute am Halsband einen Chronometer im Design einer Bahnhofsuhr. Wenn er die Zeit erkundet, so nicht, ohne an die Zeitlosigkeit zu denken. Von alters her bemisst der Mensch die Zeit nach der Uhr, sie ist für ihn Teil seines Lebens und Leitmotiv seiner Kunst. Sie kündet von Abfahrt und Ankunft. Sie vergeht an unterschiedlichen Orten gleich schnell. Sie verdeutlicht die Gegenwart, die in der nächsten Sekunde doch schon Vergangenheit ist. Bewegung und Ruhe, Raum und Zeit, finden im „Zeitfeld“ zu einer Einheit.

Für ihn hat die Bahnhofsuhr auch eine biografische Bedeutung, wenn er sagt: „Ich bin in Wattenscheid groß geworden. Dort war mein Vater Bahnwärter eines großen Rangierbahnhofs für Industrie- und Kohlezüge. Er hat die Züge zusammengestellt. Später war er Lademeister. Damals standen solche Uhren noch in den Gleisen und erleuchteten nachts unsere Wohnung.“

Als seine Uhren 1987 aufgestellt wurden, kamen sie von der Firma Telefon Normalzeit, genauer: Telefonbau und Normalzeit Lehner & Co, und sie waren nicht teuer. Heute gehört die Firma einem amerikanischen Konzern, und Rinke musste 25.000 Euro für vier Uhren zahlen, die ein Sammler partout haben wollte. Sie alle, auch die im Volksgarten, sind funkgesteuert. Sie orientieren sich an der Atomuhr CS2 in Braunschweig. Über einen Zeitzeichensender wird auch die Sommer- und Winterzeit reguliert.

Anfangs gab es eine Mutteruhr, die die Impulse an 23 Zeitmesser weitergab. Der Strom (12 Volt) reichte jedoch nur für eine Entfernung von 40 Metern. Die Uhren im Außenraum liefen also falsch. Bei einer aufwändigen Sanierung wurde die Mutteruhr entfernt. Nun ist jede Uhr selbstständig, hat ihren eigenen Empfänger und leuchtet dank ihrer Photozellen auch nachts. So kann sich jedermann zu jeder Zeit „bei den Uhren“ treffen, die allesamt gleichzeitig und genau „ticken“. Rinke selbst, inzwischen 81 Jahre alt, lebt heute in Österreich und Kalifornien.