„In 80 Tagen um die Welt“ Judith Bohle: „Das ist die härteste Vorstellung, die ich je gemacht habe“
„In 80 Tagen um die Welt“ ist eines der härteren Theaterstücke. Die Schauspieler brauchen viel Puste und akrobatisches Können.
Düsseldorf. Das Körpergefühl kommt vom Vater. Der war bei der Marine und hat im Ostseebad Kühlungsborn als Tango-König die Damen beglückt. Zu Hause wurde eher wenig getanzt, also muss das Bewegungspotenzial mit der väterlichen DNA in seinen Organismus gelangt sein, meint Schauspieler Thiemo Schwarz. Er steht in der Schauspielhaus-Revue „In 80 Tagen um die Welt“ auf der Bühne und legt mit seinen Kolleginnen Judith Bohle und Adrienne Lejko einen beachtlichen Körpereinsatz an den Tag.
„Das ist die härteste Vorstellung, die ich je gemacht habe“, sagt Judith Bohle. Das will etwas heißen, denn sie ist 33 und damit immerhin zehn Jahre jünger als Thiemo Schwarz, dem man angesichts seiner wohllebigen Körperfülle nicht gleich zutraut, dass er so wunderbar verschwenderisch mit Tempo und Rhythmus zu hantieren vermag.
Bei alkoholfreiem Weizenbier und Milchkaffee sitzen die Schauspieler in Flingern im Tanzhaus-Café. Schwarz probt gerade im benachbarten Capitol für die Inszenierung „Farm der Tiere“, die am 28. Mai Premiere hat. Judith Bohle kommt mit dem Fahrrad aus Bilk. Sie war schwimmen. 1200 Meter, ohne die Arme zu bewegen, denn die dürfen nicht zu muskulös werden, damit Bohle in den historischen Stücken auch die blassen Damen mit den zarten Oberärmchen spielen kann.
Drei Mal in der Woche geht sie schwimmen, in der kurzen Pause zwischen Probe und Vorstellung. Außerdem macht sie Yoga. Eine Tanzausbildung hatte sie bereits absolviert, bevor sie ihre Schauspielausbildung in Graz begann. Sport gab es immer in ihrem Leben. „Mir hat eine Regisseurin einmal gesagt: Du wirst den Beruf nie mit Leidenschaft ausüben, wenn du nicht Marathon läufst“, erzählt sie. „Man muss sich persönliche Kontinuitäten schaffen, um dieses Flirren zu spüren, es spüren zu wollen.“ Wer sieht, wie Judith Bohle auf der Bühne ihren Körper zu Boden schlägt, sich zusammenklappt und wieder auseinanderschält, weiß, was sie meint. Vor der Müdigkeit retten sie ihre Schauspielkollegen. „Es ist großartig, wie wir als Ensemble zusammenstehen.“
Das ist umso wichtiger, wenn Gags der irrwitzigen Inszenierung nicht zünden und die Darsteller bei aller Kraftanstrengung auch noch die Abwehr des Publikums aushalten müssen. „Die Zuschauer merken nicht, was das mit uns anstellt“, sagt Thiemo Schwarz. Die Kollegen hingegen schon und senden zur Hilfe unbemerkt Rückhalte-Signale.
Judith Bohle, Schauspielerin, über „In 80 Tagen um die Welt“
Drei Stunden dauert die Vorstellung „In 80 Tagen um die Welt“. Manchmal spielen sie sie zwei Mal am Tag und müssen das hohe körperliche Level über eine lange Zeit halten. Spätestens für die zweite Vorstellung kommt die Kraft dann aus der Reserve. „Da gehst du am Vortag nicht steil“, sagt Thiemo Schwarz, „und Damenbesuch ist auch nicht.“ In der ersten Szene spielt er den Chancellor, den Direktor der Akademie der Wissenschaften, und nutzt dessen affektiertes Oberkörper-Gehabe und den gockelhaften Gang, um seine Muskeln aufzuwärmen. „Damit ich später als Moulin-Rouge-Girl das Bein hochkriege.“
Sechs Wochen Fitness-Studio und ein vorübergehend gesundes Ernährungsprogramm in der Sommerpause — während der Spielzeit, sagt er, kriegt er kein kontinuierliches Training hin, die Proben hielten auch fit. Schwarz wurde an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig ausgebildet und genoss das, was Judith Bohle „die Stählung der Ost-Schulen“ nennt. Vier bis fünf Stunden Sport am Tag, Gymnastik, Ballett, Fechten, im zweiten Jahr kommt Akrobatik dazu. Der Schauspielunterricht beginnt erst am Nachmittag. „Das war sehr anstrengend“, sagt Schwarz, „aber ein gutes Fundament.“
Er spielt O’Neil, Ibsen, Kleist und Goethe, Judith Bohle Hebbel und Lessing. Beide schätzen die Ernsthaftigkeit der Klassiker, an Jules Vernes Reise um die Welt jedoch erfreuen sie sich. „Das ist lebensbejahender Quatsch“, sagt Thiemo Schwarz. „Eine Komödie dieser Dimension zu spielen, ist eine große Sache, weil es um das echte Lachen geht“, sagt Judith Bohle. Klamauk, der das vermöge, sei achtbarer Klamauk. „Warum soll ich ein solches Stück mit spitzen Fingern anfassen? Das ist doch eine schöne Pause vom Leben.“