Jüdische Kulturtage: Aus der Sicht der Frauen
Eric-Emmanuel Schmitt liest im Palais Wittgenstein aus „Odette Toulemonde und andere Geschichten“.
Düsseldorf. In Frankreich sage man ihm nach, er sei in Deutschland deshalb so berühmt, weil sein Name deutsch klinge, sagt der französische Schriftsteller Eric-Emmanuel Schmitt, der mit seinem Dolmetscher Tobias Eisermann bei den Jüdischen Kulturtagen aus seinem Buch "Odette Toulemonde und andere Geschichten" liest.
In dem neuen Erzählband wechsle er in die Frauenperspektive, sagt Schmitt. Die Schriftstellerei sei überhaupt eine ideale Form, sein Geschlecht umzuwandeln, viel besser als die Chirurgie. Denn für den Erzähler sei dieses Unterfangen reversibel. Zunächst versetzt sich Schmitt in die Gedankenwelt Hélènes, einer perfektionistischen und hoch begabten jungen Frau, die unaufhörlich enttäuscht auf den perfekten Augenblick wartet. Jura studiert sie mit links und lernt mit Antoine einen Mann kennen, der überall dort, wo Hélène abstoßende Unzulänglichkeit und quälenden Mangel wahrnimmt, noch eine schöne Seite findet. Er liebt sie abgöttisch, sie findet ihn lediglich "angenehm".
Mit nüchterner Ironie gibt Schmitt Hélènes Gedanken wieder, als Antoine ihr einen Heiratsantrag macht. Im kühlen Bewusstsein, diesen Mann nicht zu lieben, aber im Bekanntenkreis gerade niemanden zu kennen, der ähnlich nett ist, sagt sie schnell Ja.
Schmitts Geschichten haben oft ernste Themen, werden aber amüsant erzählt. Ob Frauen in einem sibirischen Gefängnis unerlaubt versuchen, ihren Töchtern eine Botschaft zukommen zu lassen und zunächst nicht wissen, was sie schreiben sollen, oder ob während des Nationalsozialismus in einer belgischen Krypta heimlich eine Synagoge eingerichtet wird, wo Juden und Christen Weihnachten und Hanuka gemeinsam feiern - Schmitt kommt ohne bleierne Schwere aus und zeigt, dass dort wo Schatten ist, auch Licht sein muss.