„Das Haus am Gordon Place“ von Karina Urbach Die echte Spionage-Geschichte hinter „Der dritte Mann“

Düsseldorf · In ihrem neuen Krimi „Das Haus am Gordon Place“ taucht die in Düsseldorf geborene Karina Urbach ein in die Welt der Spionage.

Autorin Karina Urbach hat einen neuen Krimi herausgebracht.

Foto: Anne Orthen (ort)/Orthen, Anne (ort)

(clhö) New York 2024: Professor Hunt wird am Flughafen festgenommen. In seiner Londoner Wohnung am Gordon Place liegt ein Toter. Ein Nachbar, wie sich herausstellt, mit dem der Historiker kaum Kontakt hatte, der aber offenbar etwas dort gesucht hat. Denn seine Leiche wurde vor einem Loch unter einer Fensterbank gefunden. Hat der Mord etwas mit der Vormieterin Daphne Parson zu tun, die eine MI6-Agentin war?

Wien 1948: In einem Abhörtunnel unter der geteilten Stadt belauscht der britische Auslandsgeheimdienst unbemerkt die Vorgänge im sowjetischen Sektor. Eine der MI6-Agentinnen, die dort arbeiten, ist Daphne Parson. Gemeinsam mit ihren Kollegen wird sie in eine Filmcrew eingeschleust, die in der Wiener Kanalisation gerade Szenen von „Der dritte Mann“ dreht. Ihre Mission: Nazigold sicherstellen, das im von den Russen kontrollierten Teil der Stadt vergraben ist.

In ihrem neuen Krimi „Das Haus am Gordon Place“ verwebt Karina Urbach historische Fakten mit Fiktion. Ein spannender und temporeicher Roman. Die in Düsseldorf geborene, inzwischen im britischen Cambridge lebende Historikerin hat für ihr Buch monatelang recherchiert. Eine ihrer Quellen war Daphne Park. Die 2010 verstorbene MI6-Agentin war Inspiration für die Romanfigur Daphne Parson.

In „Das Haus am Gordon Place“ erfahren die Leser mehr über die Lebensgeschichte von Daphne, wie sie zur Spionin wurde und sich als clevere Agentin beim MI6 einen Namen macht. „Über Frauen beim Geheimdienst wird nicht viel berichtet“, bedauert Urbach. Dabei gab und gibt es weit mehr Agentinnen, als gemeinhin angenommen wird. Zu sehr ist das öffentliche Bild von James Bond-Filmen geprägt.

„Daphne Park erinnerte mich immer ein wenig an Miss Marple. Sie war so unscheinbar, dass man sie leicht hätte übersehen können“, erzählt Urbach über ihre Begegnung mit der MI6-Mitarbeiterin.

Kennengelernt haben sich die beiden durch Karina Urbachs Mann. Ein Russlandexperte, der mit Park in einem Komitee saß, das sich mit Russland befasste, was wiederum ihr Spezialgebiet war: „Sie war eine der wenigen, die über ihre Arbeit etwas erzählen durfte.“

Karina Urbach glaubt, dass der MI6 damit Werbung für sich machen möchte, denn „derzeit geben sie auch viele Akten frei, um zu zeigen, dass viele Frauen für den Geheimdienst arbeiten“. Was aber so nicht stimme. Die Expertin stellt klar: „MI6-Agentinnen hatten sehr harte Zeiten. Obwohl Daphne so gut in ihrem Job war, hat sie nie eine hohe Position angeboten bekommen. Die bekamen nur Männer.“ Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 hatte zumindest zwei Direktorinnen, räumt Karin Urbach ein. Sie seien die Vorlage für Judi Denchs Rolle der „M“ in der James-Bond-Reihe gewesen.

Die Dreharbeiten zum Kinoklassiker „Der dritte Mann“ spielen im Roman eine wichtige Rolle. „Es gibt tatsächlich mehrere Versionen des Films, die britische weicht von der amerikanischen ab, und die deutsche Fassung ist ebenfalls verändert worden“, sagt die Historikerin, denn „jede Seite hatte Angst, nicht richtig dargestellt zu werden“. Schließlich war Wien nach Kriegsende ein Hotspot der Spionage.

Der MI6 hatte Ingenieure rekrutiert, die spezialisiert waren, Kommunikationssysteme anzuzapfen. Dafür nutzten sie unter anderem erfolgreich den Wiener Untergrund. Doch „die Russen haben sehr schnell herausgefunden, dass die Briten sie abhörten, weil ein Überläufer sie verriet“, erzählt die Historikerin. Der in ihrem Buch vorkommende Abhörtunnel unter einem Herrenmodegeschäft hat tatsächlich existiert. Fotos davon gibt es zwar keine, aber „man weiß davon, durch den Überläufer George Blake, der später den russischen Medien dazu ausführliche Interviews gab“. Die Briten selbst, ergänzt Urbach, hätten offiziell dazu bis heute nichts verlauten lassen.