Feuilletönchen Kein Feuilletönchen über Krankheit in Kunst und Kultur
Düsseldorf · Warum unser Redakteur diese Kulturkolumne eigentlich nicht geschrieben hat.
Heute morgen erschien es mir noch eine ganz schöne Idee zu sein – auch im Lichte von Corona –, ein Feuilletönchen über künstlerische und kulturelle, ja ästhetische, Auseinandersetzungen mit Krankheit zu schreiben. Sogleich fielen mir unzählige Beispiele ein, ob nun das romantisierte Bild vom kranken, leidenden Komponisten – Schumann, Schubert, Mozart, Chopin und Co. –, ob das Ästhetisieren von Krankheit in der Bildenden Kunst, in Opern – Traviata und Co. – oder auch der Literatur. Mir kam Thomas Mann in den Sinn, sein Zauberberg, der ganz und gar in einem Sanatorium in Davos spielt, auch sein „Der Tod in Venedig“ oder die vielen Kranken und Sterbenden in „Buddenbrooks“. Ich musste an die unzähligen künstlerischen und kulturellen Reflexionen über große schreckliche Epidemien denken, wie beispielsweise über die Pest; an ganz persönliche künstlerische Sichtweisen auf die eigene Krankheit, auch im 20. Jahrhundert. Mir kam wieder Keith Haring in den Sinn, der seine Aids-Erkrankung künstlerisch verarbeitete. Oder Schlingensief, der seine Krebserkrankung in das Zentrum seiner späten Arbeiten stellte. So vieles mehr. Die heute so abstrus wirkende Idee, dass Kranke besonders „schön“ und „vergeistigt“ seien. Erschreckende Texte aus ganz vergangenen Zeiten, in denen Krankheit als schicksalhafte Strafe eines Gottes daherkommt und so weiter und so fort.
Doch im gleichen Moment, als mir dies durch den Kopf ging, spürte ich, wie falsch es sei, gerade hier und jetzt sich mit der Historie der ästhetischen Reflexion über Krankheit auf solche Art auseinanderzusetzen. Krankheit ist etwas Schreckliches. Sie führt zu Leid, Angst und leider manchmal auch zum Tod. Und gerade wenn viele von uns sich Sorgen machen, angesichts einer Krankheit, die uns bedroht, die auch deshalb Angst macht, weil wir nicht wissen, wie es weitergeht, weil wir noch so wenig über sie wissen, wäre es doch wie Hohn, schöngeistige Überlegungen darüber niederzuschreiben, wie wunderbar dialektisch sich doch Thomas Mann mit Einbildung, Zeit und realer Bedrohung im Zauberberg auseinandersetzt. Man könnte sogar behaupten, es sei geschmacklos.
Deshalb habe ich mich entschieden, dieses Feuilletönchen nicht zu schreiben. Auch wenn wir vermuten können, dass es so ist, dass Dinge, die Menschen beschäftigen, sie berühren und ängstigen, eben auch von Künstlern irgendwann und irgendwie verarbeitet und aufgearbeitet werden. Weil diese Künstler auch Menschen sind, die diese Dinge vielleicht selbst derart anfassen, dass sie daraus etwas schöpfen müssen, um mit ihren Gedanken ins Reine zu kommen. Also, es wird wahrscheinlich die Zeit kommen, dass Corona vielleicht seinen Platz in der ästhetischen kulturellen Reflexion findet. Doch jetzt ist nicht die Zeit. Zu nah, zu sehr vor Ort ist das alles. Und es ist nicht gut, die Gefühle von Menschen zur verletzen, nur um sich schöne Gedanken um ein vielleicht dann doch naheliegendes Thema zu machen. Ich persönlich hoffe, dass alles noch gut geht. Die Wahrheit ist aber auch, Kranke gibt es immer sehr viele, auch ohne Corona. An die denke man auch.