Kom(m)ödchen: Elvis und Hitler raten - Verstand einschalten

Im Kom(m)ödchen sprengt das Ensemble mit „Irgendwas mit Menschen“ großartig gespielt und herrlich albern bestehende irdische Grenzen.

Foto: Judith Michaelis

Das muss man sich erst einmal trauen: Elvis mit Speckbauch im Glitzeranzug und Hitler im Bademantel über Lederhosen treten an die Rampe, schwingen die Hüften und singen: „Gefühl und Glaube sind vage und postfaktisch, versuch’s mit Denken und Verstand.“ Die beiden leben in einer WG in Bielefeld. Der eine geflohen mit einem Ufo, der andere geklont von den Russen. So erscheinen sie zumindest Nils (Daniel Graf), nachdem er seine Nase aus nostalgischen Gründen zu tief in die Matrizenflüssigkeit gesteckt hat.

In der Schule ihrer Kinder treffen Verschwörungstheoretiker Nils und seine Frau Katharina (Maike Kühl) auf Rainer (Martin Maier-Bode) und Frank (Heiko Seidel). Alle vier haben ein Ziel: Die richtigen Worte für die Abirede zu finden. Der Weg dorthin führt nicht nur zu den musikalischen Wiedergängern, sondern auch entlang der Abgründe einer Übermutter, vorbei an den AfD-Wahnvorstellungen eines Autohausbesitzers, den Auswüchsen des deutschen Bildungswesens und der Bundespolitik bis hin zu einem Thermomix, der erotische Toaster-Träume hat.

Das Kom(m)ödchen-Ensemble traut sich was. Mit seinem neuen Programm „Irgendwas mit Menschen“ bringt es jede Menge Quatsch auf die Bühne. Den verzapfen die vier Schauspieler so gekonnt und lustvoll, dass man ihnen und ihrer charmant selbstironischen Typencharakterisierung zweieinhalb Stunden oft laut lachend folgt. Die vier überzeugen als perfekt eingespieltes Team. Dietmar Jacobs, Christian Ehring und Martin Maier-Bode haben ihnen Texte und Lieder auf den Leib geschrieben haben. Und Regisseur Hans Holzbecher beweist sicheren Sinn fürs Schräge. Wer scharfzüngiges politisches Wort-Kabarett sucht, wird an diesem Abend nicht allzu oft fündig. Wer aber Spaß an einem temporeichen und treffsicheren Schlagabtausch hat, der die Eigenarten unseres Miteinanders witzig und fantasievoll vorführt, ist in „Irgendwas mit Menschen“ bestens aufgehoben.

Heiko Seidel war zuletzt in „Deutschland gucken“ als rheinisches Großmaul ein Publikums-Liebling. Als Frank wird er diesen Ansprüchen voll gerecht. Sein Autohausbesitzer, der mal mit sieben, dann mit neun und schließlich mit 16 Geschwistern aufwuchs, weiß über alles Bescheid. Er schwadroniert „Wird man doch mal sagen dürfen“-Parolen und bewegt sich immer weiter nach rechts, bis er fast von der Bühne kippt. Die anderen holen ihn zurück, der Ferngesteuerte wird von der Technik neu gestartet und quatscht in gewohntem Singsang. Neben einem multilingualen Thermomix-Auftritt ist sein Elvis ein besonderes Schmankerl.

Maier-Bodes Hitler, der eigentlich eine Klon-Mischung aus Adolf und Blondi ist, zeigt originelle menschliche Züge. Das muss wohl der Hund sein. Und Maier-Bodes Polizist aus Dormagen-Hackenbroich, der 270 Überstunden vor sich herschiebt, seine Familie zuletzt in den 1990er Jahren gesehen hat und 36 Grundschüler zur Not mit Schusswaffengebrauch zur Verkehrserziehung zwingt, hat den aufgekratzten Szenenapplaus wirklich verdient.

Am Ende wundert es kaum noch, dass ein allwissender Tafellappen mit Bruce-Willis-Stimme weissagt: „An den Rändern des Wissens herrscht der Zufall.“ Die vier blicken aus dem All auf die Erde und Maike Kühl als ängstliche Helikopter-Mutter empfiehlt ihren „Mäusen“ zum Abitur: „Habt Spaß und benutzt Zahnseide.“