Kunstbuch: Magische Geschöpfe unter Bienenwachs gebannt

Helga Meister hat eine Monographie über Sandra Vásquez de la Horra geschrieben.

Düsseldorf. Ein Mann mit einem Stab in der Hand und einem Kind auf den Schultern, das muss die Zeichnung eines Christopherus sein. Warum aber ist der Hüne schwarz? Und warum ist das Jesuskind nur eine schwach gezeichnete Silhouette?

Es sind viele Fragen, die sich der Betrachter bei den Bildern von Sandra Vásquez de la Horra stellt. Das beim ersten Blick Offensichtliche wandelt sich beim zweiten häufig in etwas Doppeldeutiges, Mehrschichtiges. Wie in einem Traum ist Wahres von Unwahrem kaum auseinanderzuhalten. Die Bilder verwirren und machen neugierig zugleich.

Kunstexpertin und WZ-Mitarbeiterin Helga Meister präsentiert am Sonntag im museum kunst palast ihr 15. Buch. Sie hat sich der noch unbekannten Künstlerin aus Düsseldorf angenommen und sich auf die Suche nach ihren Motiven gemacht.

Das Besondere an der neuen Veröffentlichung: Sie enthält keine bloße Aneinanderreihung von Infos oder Beschreibungen. Meister gibt der Künstlerin die Möglichkeit, sich selbst vorzustellen. Dadurch erlebt der Leser einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt von Sandra Vásquez de la Horra und lernt die Quellen ihrer Inspiration kennen.

In vielen Interviews erzählt Sandra Vásquez de la Horra überraschend offen von ihrem Leben zwischen Diktatur und Demokratie, alter Religion, Volksglauben und moderner Weisheit.

1967 wurde sie in Vina del Mar in Chile geboren. Ihre Eltern unterstützten Pinochet, sie selbst ging in Distanz zu ihm. Ihr ständiges Aufbegehren verarbeitete sie in ihren Bildern. "Die Kunst war Ablenkung", sagt sie heute. Schon mit zwölf Jahren besuchte sie die Kunstschule in Valparaiso "denn ich konnte ganz gut und stundenlang nur zeichnen."

Jahre später kam sie nach Düsseldorf auf die Kunstakademie und ging in die Klasse von Jannis Kounellis, der ihr die Lektüre etwa von Bruce Naumann empfahl - und ihr allmählich einen Einblick in die europäische Kunst bot.

Später studierte sie bei Rosemarie Trockel und besuchte die Medienhochschule. 2001 erhielt sie ein Reisestipendium. Nachdem sie im museum kunst palast die Ausstellung "Altäre - Kunst zum Niederknien" gesehen hatte, entschied sie sich für Kuba als Ziel.

Diese Reise sollte ihre Kunst maßgeblich beeinflussen. Sie lebte mit Schamanen und wurde zur Priesterin der Yoruba-Religion. Diese Inspiration führte sie zu ihren vermenschlichten Geistwesen auf dem Papier. Sie entwirft magische Geschöpfe.

"Die Bilder sind voller Rätsel. Ich wollte unbedingt mehr darüber erfahren und bin immer wieder zur ihr hingegangen, um mit ihr darüber zu sprechen", erklärt Helga Meister. Sie stieß auf Glaube und Riten, Christentum und Schamanen-Weisheiten, Erinnerungen an die Kindheit und Motive der Gegenwart in ihren Bildern.

Etwa einen Lazarus, dem Jagdhunde beigestellt sind und der einen Schutzhelm wie ein Imker trägt. Und eine Frau mit Schlangen auf dem Kopf, die an die griechische Medusa erinnert, sich aber als südamerikanische Maskenträgerin oder als Göttin von Haiti entpuppt.

Oder eben der Christopherus, der ihr im Traum erschienen war. Die Künstlerin taucht ihre Zeichnungen anschließend in Bienenwachs, um sie zu schützen und unangreifbar zu machen.