Mit dem Theatergame eröffnet das FFT die Saison Lessons of Leaking: Ein Spiel für die Wahrheit

Mit dem Theatergame „Lessons of Leaking“ eröffnet das FFT die Saison.

Warten auf die mitspielenden Zuschauer: Roland Bonjour, Nora Decker und Ayana Goldstein (re.) vom Theaterkollektiv Machina Ex.

Foto: Machina Ex

Düsseldorf. Beim Eintritt in den dunklen Theatersaal im FFT Juta sucht man vergeblich nach Stühlen. Zwölf Zuschauer können pro Aufführung teilnehmen. Gerade hat man sich im Eingang kennengelernt, schon wird man in den Saal geführt. Das Licht geht an. Der Saal entpuppt sich als Wohnzimmer, in dem ein Mann und eine Frau hektisch telefonieren, das Publikum steht mittendrin. Die Szene beginnt und stoppt schnell wieder. Die Schauspieler warten und die Zuschauer schauen sich um. Darf man da jetzt mitmachen? Ja, darf man.

Die Profis spielen nicht streng nach Drehbuch. Ihr Verhalten wird von den mitspielenden Zuschauern beeinflusst. Anfangs noch zaghaft werden erste Aufgaben gelöst: Batterien für eine Fernbedienung müssen auf der Bühne gesucht werden, damit es weitergeht. Die Aufgaben werden komplexer. Eine PR-Agentin stößt auf eine Hackerin. Diesen Kontakt muss sie vor ihrem Mann verheimlichen, denn der arbeitet für eine europäische Sicherheitsbehörde. Im Gespräch mit der Hackerin entscheidet das Publikum per Abstimmung auf dem Tablet über die Antworten der PR-Agentin. Macht sie beim Datenklau mit oder misstraut sie ihr? Man beobachtet, bespricht und lacht. Klassische Beziehungen bröckeln, das Publikum gestaltet und handelt. Ein routinierter Gamer findet schneller den Zugang als der klassische Theaterbesucher.

Dem Kollektiv Machina Ex geht es um mehr als Rätsellösen. Die Zuschauer finden sich in Deutschland im Jahr 2021 wieder. Das Land steht kurz vor einer großen Entscheidung: Verbleib oder Austritt aus der EU. An der Spitze der EU-Gegner steht eine rechtspopulistische Kanzlerin und ihre Chancen sind gut. Die Umfragen sagen den Erfolg der Austrittsbefürworter voraus. Durch gehackte Informationen könnte die Wahl entschieden werden.

„Lessons of Leaking“ knüpft an aktuelle politische und gesellschaftliche Debatten an. Im digitalen Informationszeitalter werden Whistleblower zu wichtigen Akteuren der Demokratie, die erheblichem Druck der Machthabenden ausgesetzt sind. Trotzdem gilt, wer einmal über Informationen verfügt, hat selbst Macht. Ein schwieriges Abwägen zwischen Demokratie und Überzeugung. „Lessons of Leaking“ gibt zudem einen Blick in eine mögliche Zukunft Europas.

Wenn man einmal im Spiel ist, macht es großen Spaß. Die Aufgaben sind klug gestellt und verbinden Geschick mit moralischer Verantwortung. Die Schauspieler geben Hilfestellungen, ohne ihre Rolle zu verlassen. Schnell werden eben noch Fremde zu Mitspielern, gemeinsam arbeitet man gegen die Zeit — und für die Wahrheit. Als aktiver Entscheider fragt man sich am Schluss: „Würde ich es wieder so machen?“