Ora Katz im Kulturbahnhof Eller Die Suche nach dem eigenen Ich

Die Künstlerin Ora Katz bereitet derzeit ihre neue Ausstellung im Kulturbahnhof Eller vor. Den Hauptraum darf sie allein bespielen.

Ora Katz neben ihrem kleinen Alter Ego bei der Vorbereitung ihrer Sommerausstellung im Kulturbahnhof.

Foto: Petra Suzuki/KBE

Ora Katz ist die Tochter von Benjamin Katz, dem großen Chronisten der Kunstszene. Seine Fotografien erzählen nahezu lückenlos die Geschichte der Gegenwartskunst und gehören zum Schönsten, was die Gattung der Künstlerfotografie zu bieten hat. Der Papa ist 85, die Tochter 28 Jahre alt. Wenn man Ora mit ihren Eltern im Künstlerverein Malkasten sitzen sieht, wirkt sie wie ein Mäuschen oder wie ein Kätzchen, so ihre eigenen Worte. Doch Ora kann auch ganz groß sein.

Wir begegnen der Malerin im ehemaligen Wartesaal des Kulturbahnhofs Eller. Vor einem Jahr organisierte sie als Tutorin mit der Malereiklasse von Katharina Wulff eine Totalbemalung des Saals. Der Pfiff bestand darin, dass 15 Studierende unter ihrer Regie ein Gesamtkunstwerk erzeugten, das den ganzen Raum umfasste und dessen Fries über die hohen Wände bis unters Dach reichte. Sie verwandelten den Bahnhof in ein Gemeinschaftsatelier. Anschließend wanderten die Bildwände ins Foyer der Kunstakademie, um dort als farbiger Hintergrund für die 250-Jahr-Feier zu dienen. Katz und ihr Team hantierten mit Bauplänen vom Kulturbahnhof und vom Eiskellerberg, die unter einen Hut gebracht werden mussten, damit die Bilder wenig Verschnitt hatten. Es passte.

In zwei Bildern taucht die Künstlerin selbst auf

Nun darf Katz den Hauptraum des Kulturbahnhofs allein bespielen. Sechs Wochen verlegt sie ihr Atelier nach Eller. Wir trafen sie eine Woche vor der Eröffnung der Sommerausstellung. Fünf Bilder hatte sie auf der Leiter stehend in dieser kurzen Zeit gemalt, lauter Großformate. In zweien taucht sie selbst auf. Nicht etwa als tolle Organisatorin, nicht als weiblicher Macho, nicht als Tutorin, sondern als Mini. In einem Fall ist sie das Mädchen neben einem viel zu großen Anzugträger, der mit Beinen und Kopf keinen Platz auf dem Gemälde hat. Im anderen Fall kuschelt sie als Kleinkind im Sessel, aus dem sie nur etwas herausragt. Macht sie sich im Selbstporträt etwa kleiner, als sie ist?

Oft sind die Studierenden sehr selbstsicher. Die Selbstreflexion geht ihnen bisweilen ab. Katz meint: „Die Menschen präsentieren sich gern auf einer Art Bühne, wo sie etwas vorspielen. Aber auf meinen Bildern geht es um private Räume, in denen ich spielen kann, was ich gerade möchte.“ Nun steht sie da, sehr ernst, sehr klar, fast schon herausfordernd schaut sie aus dem Bild. Und gibt sich doch als Tochter eines Fotografen, denn sie hält eine Kamera in der Hand.

Eine verkappte Fotografin? Sie winkt sofort ab. Die Kamera im Bild habe eine Schutzfunktion. Wenn man sie in den Händen hält, überdecke man seine eigene Unsicherheit mit den Händen, behauptet sie. Als Kind habe sie sich unterm Tisch versteckt und von dort die Erwachsenen beobachtet. Seitdem kenne sie sich aus, die Welt von unten nach oben zu betrachten. Viele ihrer autobiografisch gefärbten Szenerien zeigen denn auch perspektivisch verzerrte Räume.

Die große Welt der Kunst gab sich im Elternhaus die Klinke in die Hand. In ihrem Kopf schwirren denn auch unendlich viele Fotografien. „Ich habe das Gefühl, dass ich manchmal in meinen eigenen gemalten Bildern Aufnahmen sehe“, erklärt sie. Die Malerei mit dem kleinen Mädchen und dem großen Jungen gebe es tatsächlich in einer ähnlichen Aufnahme. Nur sei sie damals neun Jahre alt gewesen.

Sie bekam von ihrem Vater die alte Minolta und macht seitdem ihre eigenen analogen Aufnahmen, die sie zum Entwickeln in ein Labor gibt. Wie die Fotos vom Vater sind sie erzählerisch und doch genau beobachtet. Einen Fotoband der verstorbenen Evelyn Richter hat sie in ihr Sommeratelier mitgenommen. Deren Mitmenschlichkeit spiegelt sich in Katz’ Bildern.