Großartiger Klavierabend in der Düsseldorfer Tonhalle Jan Lisiecki und die Kunst der Vorspiele

Düsseldorf ·  Jan Lisiecki gab einen Klavierabend in der Reihe „Piano solo“ in der Düsseldorfer Tonhalle.

 Pianist Jan Lisiecki.

Pianist Jan Lisiecki.

Foto: Christoph Köstlin/DGG

Präludien oder Préludes sind kurze Musikstücke meist für Tasteninstrumente. In der Barock-Epoche tauchen sie zunächst auf, fristen während der auf die große Sonatenform kaprizierten Wiener Klassik ein Schattendasein und erleben ihr Comeback mit der Romantik des 19. Jahrhunderts. Besondere Bekanntheit erlangten die 24 Préludes op. 28 von Frédéric Chopin.

Bei seinem Klavierabend in der Tonhalle wählte der kanadische Pianist Jan Lisiecki das Präludium als Generalthema. Der erste Blick ins Programmheft mochte ein wenig verstimmen: Die erste Konzerthälfte bestand aus einer bunt zusammengewürfelten Mischung mit Chopin, Bach, Rachmaninow, Szymanowski, Messiaen, Górecki sowie abermals Chopin, Bach und Rachmaninow. Das roch nach Häppchen-Abend.

Doch sehr schnell stimmte Lisiecki versöhnlich – mit seinem klangvoll leuchtenden Spiel und einer durchdachten Dramaturgie, die keinen Zwischenapplaus duldete, um ein musikalisches Gesamtpanorama erlebbar zu machen. Was Chopin einst mit seinen Préludes op. 28 vorlegte, präsentierte Lisiecki nun mit seiner Zusammenstellung: eine rasche Folge von Szenen ähnlich wie filmische Shortcuts.

Chopins berühmtes „Regentropfen“-Prélude kam gleich zweimal dran: als Eröffnungsnummer und nach der Pause im Rahmen des vollständig vorgetragenen Prélude-Zyklus op. 28 – der am wenigsten zwingende Bestandteil des Konzepts. Gespielt wurden aber auch Chopin-Préludes mit eigener Ordnungszahl wie das cis-Moll-Prélude op. 45, ein Kleinod des polnisch-französischen Klavier-Poeten.

Großer Hörgenuss
durch Facettenreichtum

Dass der Abend ein großer Hörgenuss wurde, lag vor allem am pianistischen Facettenreichtum, den der polenstämmige Kanadier unterbreitete. Die Präludien C-Dur und c-Moll aus dem 1. Band des Bachschen Wohltemperierten Klaviers klangen mehr romantisch als puristisch, dabei aber so klar und natürlich, dass man Glenn Goulds pedantisches Staccato nicht unbedingt vermisste. Olivier Messiaens „Préludes pour piano“ entlockte der Interpret einen ganzen Mikrokosmos an Nuancen. Rachmaninows marschartiges g-Moll-Prélude gelang transparent, dramatisch und emotional zugleich.

Die detailreiche und spieltechnisch superbe Darbietung des kompletten Chopin-Zyklus op. 28 wies Lisiecki vollends als Meisterpianist ersten Ranges aus. Das entzückt applaudierende Publikum verdiente sich eine Zugabe – eine verträumte Romanze in Fis-Dur von Robert Schumann, die nach all dem Klavierbrausen wie eine Ruheoase anmutete.