Rheinoper: Regisseur und Intendant im Doppelinterview

Immo Karaman und Christoph Meyer sprechen über neue Stücke, Vertrauen und Voyeurismus.

Düsseldorf. Der Regisseur Immo Karaman hat sich in Düsseldorf zum Garanten für geistvolle und emotional packende Inszenierungen an der Rheinoper entwickelt. Jüngstes Beispiel ist seine Regiearbeit an Alexander Zemlinskys Märchenoper „Der Zwerg“, eine Arbeit die weit mehr überzeugt als die am jeweils selben Zemlinsky-Abend gezeigte „Florentinische Tragödie“ in der Inszenierung von Barbara Klimo. In den vorigen Spielzeiten hatte Karaman beim Benjamin-Britten-Zyklus Regie geführt und das Publikum vor allem mit „The Turn of the Screw“ bewegt. In der kommenden Saison geht es weiter mit Brittens „Death in Venice“ nach Thomas Manns Erzählung „Der Tod in Venedig“. Intendant Christoph Meyer war es, der Karamans Talent erkannte und ihn für noch viele weitere Produktionen gewinnen will. Die Beiden liegen merklich auf einer Wellenlänge.

Herr Meyer, Herr Karaman, wie haben Sie sich kennengelernt?

Christoph Meyer: Zuerst ganz kurz einmal in Berlin. Unsere erste Zusammenarbeit war aber 2006 in Leipzig bei der Neuinszenierung von Benjamin Brittens „Turn of the Screw“, eine Produktion, die ja nun auch in Düsseldorf gelaufen ist. Ich stand damals noch kurz vor der Amtsübernahme des Operndirektor-Postens und traf plötzlich auf einen verzweifelten Immo Karaman. Immo Karaman: Ich war schon dabei meine Koffer zu packen und einen Abschiedsbrief zu schreiben, weil die damalige Opernleitung nicht für Kinder-Darsteller gesorgt hatte, die mit den beiden Kinder-Rollen Miles und Flora vertraut sind. Und das, obwohl wir mit den Proben schon begonnen hatten. Christoph Meyer zeigte dann einnehmenden Pragmatismus.

Christoph Meyer, Opernintendant

Wie sah dieser Pragmatismus aus?

Meyer: Na ja, ich hatte mit „Turn of the Screw“ schon Erfahrung durch meine Arbeit an der Kölner Oper. Und dadurch kannte ich eine Londoner Agentur, die Kinder-Darsteller vermittelte, die perfekt waren für die Rollen des jungen Geschwister-Paars. Also hat Immo seine Koffer wieder hingestellt und weitergearbeitet. Karaman: Als Christoph Meyer nach Düsseldorf wechselte, fragte er an, ob ich auch für die Deutsche Oper am Rhein inszenieren würde. Das war dann auch die Initialzündung für den Britten-Zyklus.

Schloss sich für Düsseldorf damit nicht eine Lücke im Repertoire?

Meyer: Absolut. Bis auf vereinzelte Britten-Opern in den 50er bis 70er-Jahren, standen seine Werke nicht auf dem Spielplan. „Peter Grimes“, „Billy Budd“ und „Turn of the Screw“ gab es in Düsseldorf durch unseren Zyklus zum ersten Mal. Und die Arbeit, die Immo Karaman hier macht, ist einfach fantastisch.

Herr Karaman, Sie machen jetzt zum ersten Mal etwas anderes als Britten in Düsseldorf: Hat Zemlinskys „Zwerg“ gleichwohl Parallelen zu Britten-Opern?

Karaman: Keine wirklich starken, aber zumindest geht es beispielsweise bei „Peter Grimes“ ebenfalls um eine Außenseiter-Thematik. Sowohl Grimes als auch der Zwerg werden von der Gesellschaft als Unholde abgestempelt.

Haben Sie eine generelle Affinität zu den versteckten Perlen des Repertoires?

Karaman: Ja, auf jeden Fall! Mich interessieren die Stoffe des 20 Jahrhunderts grundsätzlich, weil da noch so viel zu entdecken ist. Mit den Repertoire-Knallern in einen Wettbewerb der Deutungen zu treten, fände ich uninteressant. Viel mehr reizt mich die Aufgabe, Stücke zu erzählen, die womöglich zum ersten Mal gehört werden.

Herr Meyer, wollen Sie Karaman noch häufiger für Rheinopern-Produktionen engagieren?

Meyer: Solange ich hier Intendant bin, wird Karaman jedes Jahr hier eine Oper inszenieren.

Als nächstes ist Brittens „Death in Venice“ an der Reihe. Ist der Zyklus danach beendet?

Meyer: Ja, der Zyklus ist für uns dann vorerst abgeschlossen. Mit Zemlinskys „Zwerg“ haben wir ja jetzt schon damit begonnen, andere Stücke in Karamans Hände zu legen. Ich habe auch schon ein paar weitere Stücke vorgeschlagen. Welche, verrate ich aber noch nicht. Karaman: Das ist echt irre gewesen! Diese Stücke haben schon immer auf meiner Wunschliste gestanden. Dadurch fühle ich mich auf eine sehr persönliche und intime Art gefordert. Das ist der perfekte Startpunkt für meine Arbeit. Zwischen Herrn Meyer und mir hat sich ein großes Vertrauen entwickelt. Er stellt mir einen ideellen Raum zur Verfügung, durch den ich mich im Schaffensprozess geschützt fühle.

Was ist denn Ihr künstlerisches Credo?

Karaman: Ich habe mich schon oft gefragt, warum mich dieser Beruf so leidenschaftlich macht. Es ist wohl das nicht enden wollende Interesse an Menschen und menschlichen Konstellationen und der Hang, bewusst oder unbewusst Situationen zu analysieren, die meinen eigenen Voyeurismus wecken. Dabei ist es mir auch wichtig eine Nähe zum Publikum herzustellen. Im Privaten bin ich eher ein Einsiedler-Krebs, bei meinen Arbeiten will ich aber eine gemeinsame emotionale Reise unternehmen.