Kunst Wenn die Computer mit der Liebe spielen
Düsseldorf · Die Sammlung Philara ist dem Digitalen auf der Spur. Die neue Ausstellung nennt sich „Insane in the Membrane“.
Mit der digitalen Revolution hat sich nicht nur die Art der Kommunikation geändert, indem jedermann auf sein Handy starrt und dabei allzu oft die Wirklichkeit vergisst. Der Paradigmenwechsel gilt zugleich für die Sinneswahrnehmung. Das Digitale führt zum Verlust des Taktilen. Der Dialog mit dem Anderen greift ins Leere. Stattdessen konzentriert sich das Ich auf seine Selbstdarstellung im Selfie. Das Gegenüber verschwindet, löst sich auf, wird nicht mehr gebraucht.
Dem Digitalen ist Katharina Klang von der Sammlung Philara auf der Spur. „Insane in the Membrane“ („Wahnsinnig in der Haut“) heißt die neue Ausstellung. Klang wählte Künstler der Jahrgänge 1981 bis 1991 aus, gleichsam die letzte Generation, die noch nicht mit dem Handy zwischen den Fingern geboren wurde.
Vivian Greven, Jg. 1984, war in der Klasse Siegfried Anzinger, dessen Meisterschülerin sie ist, spezialisiert auf Bollywood-Szenen. Als sie ihren Abschluss bei Thomas Grünfeld machte, wurde sie mit einem Paukenschlag für eine Venus bekannt, die sie am Computer aus verschiedenen Schönheitsidealen zusammensetzte. Seitdem sind fünf Jahre vergangen, und die Künstlerin trifft genau den Zeitgeist.
Bei Vivian Greven ist der Partner ein bloßer Leerraum
Sie zitiert eine klassische Psyche des Bildhauers Antonio Canova mit der zarten Sinnlichkeit im marmornen Gesicht. Ihr Kopf scheint einem Partner zugewandt zu sein, aber ihm antwortet kein Gegenüber. Stattdessen malt Vivian Greven einen Leerraum, der von einer fiktiven Landschaft oder einer Haut umgeben ist, auf der eine Hand als dekorative Flachware liegt. Dennoch ist diese Kunst kein Output aus dem Internet, sondern ein sensibel mit der Hand, mit Pinsel und Farbe gemaltes Werk. Es ist eine schöne, fast zu liebliche Malerei, die verführt.
Die Künstlerin trägt die Ölfarbe sehr flüssig auf, arbeitet von einer Lasurschicht zur nächsten, addiert die Motive, ohne zu klären, wo die Körper, die Leerflächen und die Schatten zu orten sind. Lediglich die Arme scheinen diese immateriellen Wesen zu umgarnen.
Normalerweise ist die Membran die Haut, die der körperlichen Abgrenzung von innen und außen dient. In jeder Berührung, die über die Haut wahrgenommen wird, liegt der Ursprung menschlichen Kontakts und Austauschs. In den Motiven der Vivian Greven wird zwar die Sehnsucht nach Berührung artikuliert, aber der Kontakt missglückt.
Oliver Larics Zwitter wurde mit dem 3-D-Scanner ausgedruckt
Ein anderes Beispiel liefert Oliver Laric. Er hat ein Hybrid aus der Nymphe Salmacis und Hermaphorodit im 3-D-Scanner ausgedruckt. Die beiden begegnen einander in der griechischen Mythologie beim Baden, verlieben sich und ziehen sich in den Abgrund, wo sie zum Zwitterwesen werden. Die Liebe ist bei Laric also nur eine Mixtur der Geschlechter in verschiedenen Materialien.
Mit Make-up von Angela Merkel gegen die HD-Kameras
Simon Fujiwara kam über Angela Merkels Visagisten zu jenem Make-up, das sich gegen die HD-Kameras abschirmt. Das Gesicht wird zur undurchlässigen Maske. Fujiwara ließ sich vom Visagisten den Puder auf die Leinwand auftragen, um die Fläche anschließend in 150 Segmente aufzuteilen. Wer Merkels Puder liebt, wird also bei Bronner fündig.
Geniale Zeichnungen mit Texten im Spiel einer Seifenoper
Von all diesem Maskenspiel will Isabella Fürnkäs nichts wissen. Sie ist in ihren köstlichen doppelseitigen Zeichnungen, von denen Bronner 100 Blätter erwerben konnte, ganz bei sich und ihren Humoresken. „Wie soll ich Farben benutzen, wenn ich so traurig bin“, fragt sie sich in dieser herrlichen Unlogik, um den Satz mit zwei Wimpern zu garnieren. Sie bekritzelt ein Blatt mit dem Wort „knutschen“ in schwarz auf weiß, setzt in die Mitte zwei rote Zungen, die sich berühren; um auf der Rückseite zu erklären: „du lässt mich fühlen, als ob ich einen Teenager-Traum habe.“ Besser kann man kaum Seifenoper spielen als mit langen Armen und roten Fingernägeln, die auf der Rückseite erklären, sie würden niemanden, viele gleichzeitig oder alle lieben.
Die ehemalige Städel-Schülerin Hannah Levy baut Gestelle aus verbogenen Eisenstangen, bezieht sie mit Silikon und bettet darauf Abformungen vom Kürbis, die als Silikonteile ein irritierendes Leben erhalten. Weitere Künstler in der Ausstellung sind Rebekka Benzenberg, Jens Kothe, Anna Virnich und Raphaela Vogel.
Info Philara, Birkenstraße 47a, bis 13. Januar 2019.