Schauspiel ist besser als sein Ruf
Das Theater der Landeshauptstadt steckt in der Krise. Und doch hatte die Spielzeit Glanzlichter zu bieten. Eine Bilanz.
Düsseldorf. Leere Reihen. Jede Menge leere Reihen. Wer an diesem Abend im Großen Haus die hervorragende Inszenierung „Der zerbrochene Krug“ sieht, dem zeigt sich die Misere am Schauspielhaus mit ihrem ganzen Ausmaß: Es kommen viel zu wenige Zuschauer. Und das an einem Samstag. Auf die Frage nach dem Warum, gibt es keine einfache Antwort.
Die lustvolle wie scharfsinnige Regie-Arbeit des Tschechen Dusan David Parizek trifft keine Schuld. Er bietet mit dem sorgfältig bearbeiteten Kleist-Klassiker und präzise spielenden Darstellern ein Theatererlebnis. Zumindest beim Theatertreffen NRW gab es für diese Ensembleleistung jüngst eine Auszeichnung und jede Menge Anerkennung.
Die Auslastungszahlen belegen, der Kleist-Abend ist keine Ausnahme: 51 Prozent im Großen Haus, 61 Prozent im Kleinen und 70 Prozent im Jungen Schauspielhaus — das ist ein schlechtes Ergebnis.
So sieht das auch Intendant Manfred Weber und hofft, mit Korrekturen am Spielplan — mehr Klassiker, Unterhaltung und Musik — die Düsseldorfer wieder für ihr Stadttheater zu begeistern. Ob seine Rechnung aufgeht, muss sich zeigen.
Zehn Prozent mehr Zuschauer und sieben Prozent mehr Einnahmen akutell sind einer längeren Spielzeit geschuldet. Im Jungen Schauspielhaus sprechen die Ergebnisse für ihn: Mit „Kabale und Liebe“ zog das Theater an der Münsterstraße mehr Schüler und so die Zahlen (Vorjahr: 52 Prozent) an.
Für Glanzlichter in der vom Burn-out-Rücktritt des Intendanten Staffan Holm überschatteten Spielzeit sorgt auch Schauspieler Moritz Führmann. Er beweist in verschiedenen Rollen wie kein anderer: Das Ensemble hat Talente zu bieten. Per Handschlag begrüßt er als „Felix Krull“ die Besucher und kann sich sicher sein: Das Kleine Haus ist ausverkauft, weil die Menschen ihn sehen wollen.
Mit einer Auslastung von 94 Prozent ist seine One-Man-Show Spitzenreiter der Saison. Als „Schneider Wibbel“ haben die Zuschauer Führmann unter Amélie Niermeyers Intendanz kennen- und lieben gelernt. Er steht für Können und Kontinuität. Eigenschaften, die dem Haus zuletzt fehlten.
Leicht war es noch nie, die Düsseldorfer Besucher im Großen Haus von den Sitzen zu reißen. Damit hatten auch Intendanten vor Weber und Holm zu kämpfen. Und es hängt nie nur von der Qualität des Gezeigten ab, sondern entscheidend auch von der Stimmung in der Stadt.
Der hat es geschadet, dass der Neustart von Holm zunächst künstlerisch nicht begeistert und sein Rücktritt dann persönlich viele verschreckt hat. Wenig Freude bereitete zudem die einberufene Findungskommission, die — statt einen neuen, wegweisenden Intendanten zu finden — sich zerstritten wieder aufgelöst hat.
Bei allem Hin und Her muss man konstatieren: Das Schauspiel war in der vergangenen Spielzeit oft besser als sein Ruf. Regisseure haben auf sehr unterschiedliche Weise gezeigt, was Theater kann: bildgewaltig und überbordend „Der Prozess“, in Düsseldorf verortet und direkt aufs Publikum zielend „Kasimir und Karoline“ oder grandios phantastisch „Das fremde Kind“.
Auch Holm bekam viel Applaus für seinen „Peer Gynt“. Die Zahlen hat das nicht gerettet. Was das Schauspielhaus in der kommenden Spielzeit also vor allem braucht, sind Düsseldorfer, die ihre Leidenschaft für das Theater wiederentdecken.