Interview Seit 46 Jahren ist „Wolfi“ der Fotograf des Künstlers Christo
Wolfgang Volz lernte 1971 in Krefeld den Verpackungskünstler kennen. Seitdem begleitet er all seine Projekte mit der Großbildkamera.
2016 ließ der Verpackungskünstler Christo 1,2 Millionen Besucher über einen orange-farbenen Steg im oberitalienischen Lago d‘Iseo laufen. Die Fotos von diesem Ereignis stammen von Wolfgang Volz, der seit 1971 mit Christo und seiner inzwischen verstorbenen Frau Jeanne-Claude arbeitet. „Wolfi“, wie Christo ihn nennt, ist mehr als das Kamera-Auge. Er gehört zur „Familie“. Anlässlich seiner Ausstellung in der Galerie Breckner, Altestadt, trafen wir uns zum Gespräch.
Herr Volz, Sie arbeiten nun schon seit 46 Jahren mit Christo. Wie kam es zu dieser lebenslangen Verbindung?
Volz: Ich sah 1968 auf der Documenta in Kassel die „Verpackte Luft“ und lernte Abbildungen der „Verhüllten Küste“ in der Little Bay kennen. Beides war ungewöhnlich und neu. 1971 traf ich Christo und Jeanne-Claude in Krefeld, als sie in Haus Lange den Fußboden und die Parkwege mit grauem Spritztuch auslegten.
Was hat Sie begeistert?
Volz: Die Formen, die durch die Verhüllung entstehen, faszinieren mich noch heute.
Sie haben 1969 bis 1974 an der Folkwang-Schule in Essen bei Otto Steinert studiert, der ja nicht ganz einfach war. Wie wirkte denn Christo?
Volz: Er ist ein toller Kerl. Das erleichterte natürlich die Arbeit. Ich hatte vorher Künstlerporträts gemacht und kannte mich im Umgang mit Künstlern wie Qualtinger aus.
Ihre erste Meisterleistung waren Aufnahmen des orange-farbenen Vorhangs in Colorado. Dafür waren doch andere Fotografen vorgesehen. Was war da los?
Volz: Ich habe den Talvorhang sofort am ersten Tag fotografiert. Das war mein Glück im Unglück, denn der Stoff wurde nach den ersten 28 Stunden vom Sturm weggeblasen. Die Kollegen hatten kaum angefangen zu fotografieren, als der Wind alles zerstörte. Damit hatte ich einen Fuß in der Tür.
Gibt es außer dem glücklichen Zufall einen Grund für die ewige Treue?
Volz: Wir haben sehr ähnliche, ziemlich präzise Vorstellungen davon, was wir machen möchten. So ein Projekt wird ja andauernd gesteuert. „Mastaba“ in Abu Dhabi planen wir schon seit 41 Jahren und haben immer noch keine Genehmigung. Wir wollen 410 000 Ölfässer, 150 Meter hoch, 300 Meter breit und 225 Meter lang, wie eine Pyramide aufbauen.
Wie beginnt so ein Projekt?
Volz: Meistens mit banalen Ideen wie einem Zaun, der läuft oder einem schwimmenden Pier, den wir schon 1970 in Rio de la Plata realisieren wollten. Vor drei Jahren zog Christo den Plan wieder aus der Schublade hervor und sagte, wir machen es jetzt in Oberitalien.
Werden Sie nur für die Schlussphase gebraucht?
Volz: Ich helfe mit, eine Sache zu bauen, die ich anschließend fotografiere. Bei der Verhüllung des Reichstagsgebäudes war ich Geschäftsführer und Bauleiter, also für alles verantwortlich. Bei „Floating Piers“ war ich Projektmanager.
Jeder ist Teil des Ganzen?
Volz: Ja. Ich mache Fotos vom Platz, Christo entwickelt mit Wachsbleistift, Emailfarbe oder Stoffen die Collage. Die wird verkauft, um das Projekt zu finanzieren.
Wie werden Sie bezahlt?
Volz: Ich habe die Rechte an allen meinen Fotos. Ich mache Panoramabilder mit der Großbildkamera aus dem Helikopter heraus. Es sind Rollfilme, die ich bei HSL in Düsseldorf entwickeln lasse.
Ein Schnappschuss mit der Großbildkamera aus dem Helikopter, ist das nicht riskant?
Volz: In den Lago d’Iseo sind ein Besucher, mein Assistent und ich gefallen. Kamera und Funkgerät konnte ich ersetzen. Aber mein Assistent ist mit der Kameratasche samt 35 Rollfilmen abgestürzt und mit dem nächsten Flieger sofort nach Düsseldorf zum Entwickeln geflogen. Es ist zum Glück nichts passiert.
Bei wem liegt das Copyright für die Fotos?
Volz: Die Bilder werden von uns beiden signiert, aber die Rechte liegen bei mir. Das ist Teil meiner Bezahlung.
Und wovon lebt Christo?
Volz: Er verbraucht Unsummen für die Projekte, aber kaum etwas zum Leben. Er ist ein unheimlich einfacher Mensch. Er kennt keinen Luxus, schläft seit 50 Jahren im selben Bett.