Sonja Brink: „Krahe war ein großartiger Sammler“

Sonja Brink organisiert im Kunstpalast eine Schau über den Akademiegründer und Netzwerker.

Düsseldorf. Frau Brink, auf einem Ölgemälde des Mannheimer Hofmalers Joseph Fratrel ist Lambert Krahe als Schöngeist in barocker Tracht zu sehen, neben sich eine antike Büste, vor sich den Malerpinsel und im Hintergrund viele Bücher. Was für ein Typ ist er?

Brink: Krahe ist ein Kind der beginnenden Aufklärung, er ist umfassend gebildet wie die großen Geister der Zeit. Er war Maler, später Direktor der Gemäldegalerie des Kurfürsten, Gründer der Kunstakademie und Sammler. Wir zeigen ihn als Sammler.

Die römischen Barockzeichnungen im Haus lassen sich mit denen im Louvre sehen lassen. Ist das so?

Brink: Das ist richtig, diese Seite ist auch bestens erforscht. Wir wollen diesmal aber zeigen, dass Krahe mehr besessen hat. Seine Druckgrafik war genauso hochkarätig wie die Zeichnungen. Er besaß eine umfassende Sammlung an Büchern, Ölskizzen und Gipsabgüssen, wie sie für römische Künstler gang und gäbe waren.

War er reich?

Brink: Krahe kam in Rom mittellos an, mit dem Grafen von Plettenberg, dem kaiserlichen Gesandten am päpstlichen Hof, der kurze Zeit später starb. Das war ein Desaster für ihn. Aber er wurde aufgefangen von dem Wiener Hof und den Jesuiten. Die Jesuiten, zu denen auch der Düsseldorfer Landesherr Carl Theodor engste Verbindungen hatte, verschafften ihm kleinere Malerei-Aufträge. Wie viele Künstler in Rom betrieb er Kunsthandel. Er vermittelte Werke an Engländer, an Deutsche, und verdiente daran. Er konnte gut restaurieren und hatte ein hervorragendes Auge, wie die 12 000 Zeichnungen und 23 000 Blatt Druckgrafik für die Kunstakademie beweisen.

Wer war Carl Theodor?

Brink: Ein Herrscher am Beginn der Aufklärung, sehr gebildet. Er hat an den Eliteuniversitäten Löwen und Leiden studiert. Er war äußerst kunstsinnig, war aufklärerisch zum Wohle der Bildung tätig, gründete Bibliotheken und den Hofgarten als Volksgarten.

Krahe ging 1736 nach Rom und lebte dort 20 Jahre. Wie lernte er den Herrscher kennen?

Brink: Carl Theodor lobte ihm 1749 ein Stipendium aus. Von dem Moment an kaufte Krahe für den Kurfürsten oder vermittelte Kunst. Er hatte Kontakt zu Giovanni Antonio Coltrolini, einem Kunstagenten des Carl Theodor. Krahe hatte ein unglaublich gutes Netzwerk in Rom, kannte die Quellen, war über die Verhältnisse der Künstler informiert und wusste, wann Werkstattinhalte zum Verkauf anstanden. Das war dann Krahes Stunde. So kaufte er 400 Zeichnungen des spätbarocken Carlo Maratti en bloc.

Hat er bei seiner Rückkehr nach Düsseldorf weiter gekauft?

Brink: Ja, er muss ein passionierter Sammler gewesen sein. Unsere Rötelzeichnung von Raffael stammt von Christina von Schweden. Raffael war der „Superstar“ nach wie vor im Barock. Man musste Werke von ihm haben. Als 1760 in Den Haag eine hochkarätige Sammlung unter den Hammer kam, hat Krahe die Gelegenheit beim Schopf gefasst. So schuf er eine großartige Vorbildersammlung. Sie sollte den Geschmack bilden und das Auge schulen.

Interessiert das die Studenten noch?

Brink: Eine Studentengruppe sitzt stundenlang und diskutiert. Wer sich für Kunst begeistert, begeistert sich auch für alte Kunst. Das ist unser kulturelles Erbe.

Früher war die Galerie C.G. Boerner die erste Adresse für dieses kulturelle Erbe. Heute ist die Firma nur noch Dependance eines international tätigen Konzerns. Wie erklären Sie sich das?

Brink: Der große Kunsthandel bewegt sich in Paris, London und New York.

Da ist es ja ein Glück, dass es die Sammlung der Kunstakademie gibt. An welche Bedingungen sind die Dauerleihgaben geknüpft?

Brink: Im Vertrag von 1993 wird festgelegt, dass sie von einer Kunsthistorikerin wissenschaftlich bearbeitet, publiziert und ausgestellt werden. Die Grafische Sammlung hat etwa 70 000 bis 80 000 Blätter, die Hälfte gehört der Akademie.