Tonhalle: Willkommen im Reich pianistischer Perfektion
Die kanadische Musikerin Angela Hewitt brilliert souverän mit Bach und Ravel.
Düsseldorf. Mit strahlendem Lächeln und ladylike betritt Angela Hewitt das Podium der Tonhalle, wirkt selbstsicher und doch bescheiden. Pianistisch hat sie sich viel vorgenommen und anspruchsvolle Werke von Bach bis Ravel aufs Programm gesetzt.
Kraftvoll betont Angela Hewitt den Basston "d" als Ausgangspunkt einer den d-Moll-Akkord bildenden Tonfolge, mit dem Bachs 6. Englische Suite d-Moll beginnt. Das drückt gleichermaßen Selbstbewusstsein und Leidenschaft aus, lässt augenblicklich aufhorchen und auf einen großen Klavierabend hoffen.
Die geweckte Erwartung vermag die Kanadierin, die kürzlich Bachs komplettes Klavierwerk auf CD einspielte, voll und ganz zu erfüllen. Hewitt spielt Bach suggestiv und ausdrucksvoll, kommt dabei ohne Romantisierung aus. Das Klangbild bleibt glasklar und weitgehend frei von Pedalflutungen. Wenn in der 2. Gavotte die Triller funkeln, scheint der Flügel zu lächeln.
Hewitt spielt so bezwingend persönlich, rein und heiter, dass die musikalische Charakteristik jedes Satzes noch ein Stück über sich selbst hinauswächst. Die Spieltechnik erweist sich an allen schwierigen Stellen als äußerst souverän und nimmt dem Hörer jede Sorge um die Bewältigung aller manuellen Ansprüche.
Hewitt gehört nicht zu den Bach-Puristen, die sich in einem kleinen Stilbereich eingerichtet haben. Im Gegenteil: Bach scheint für sie eine solide Basis zu sein, von der aus sie auch die Musik der Klassik, Romantik und Frühmoderne erobert. Wer Bach so spielen kann wie Frau Hewitt, der muss sich in musikalischer Hinsicht vor keinem Komponisten mehr fürchten. Denn Bach ist der Vollender des Tonsatzes. Schon Mozart und Beethoven komponierten wieder schlichter und verzichteten auf allzu große polyphone Komplexität.
In Beethovens früher Sonate F-Dur op. 10 Nr. 2 herrscht bei Hewitt die Transparenz der Bach-Schule. Schon der 1.Satz erklingt mit einer Leichtigkeit, als gehe eine Frühlingssonne auf. Virtuos, schnell und klanglich ausgefeilt brilliert Hewitt zum Schluss Ravels Barock-Reminiszenz "Le Tombeau de Couperin" ins Reich der pianistischen Perfektion. Starker Beifall in der nur mäßig besuchten Tonhalle, zwei Zugaben: Ravels "Pavane" und das berühmte C-Dur-Präludium aus Bachs Wohltemperiertem Klavier.