Leben in der Flüchtlings-WG

Ibrahima und Jemima führen ein Leben zwischen Angst und Hoffnung. Sie sind in diesem Land nur geduldet.

Düsseldorf. Träumen, das kann Ibrahima Sorry Barry noch, das hat er nicht verlernt. Obwohl er mit seinen 18 Jahren mehr durchgemacht hat, als seine junge Seele verträgt. Von einer Ausbildung zum Klimatechniker träumt er, nachdem er im kommenden Jahr seine Fachoberschulreife erlangt haben wird.

Allein: Ibrahima Sorry Barry aus Guinea kann nicht weiter als die nächsten drei Wochen planen. Seine Duldung in Deutschland läuft am 14. Oktober aus, dem Antrag auf Aufenthalt hat das Ausländeramt bisher nicht stattgegeben. Was bleibt, ist die Hoffnung. Und sein Traum.

Seit April hat Ibrahima endlich wieder etwas, das einem Zuhause nahekommt. Einen Ort, an dem er sich zumindest an guten Tagen geborgen fühlt. Der Gedanke an die Heimat bleibt dennoch. Er ist allgegenwärtig. Ebenso der Gedanke an eine mögliche Abschiebung.

Zusammen mit Jemima Sonko (20) aus Gambia und einem anderen Mitbewohner lebt er auf etwa 90 Quadratmetern in einer Wohngemeinschaft der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Norden Düsseldorfs. Sie alle sind ohne ihre Eltern aus ihrer afrikanischen Heimat geflohen und haben schreckliche Erlebnisse hinter sich. Davon erzählen mögen sie nicht. Der Schmerz sitzt zu tief. Hier, in Düsseldorf, arbeiten sie nicht nur an einem neuen Leben, sondern an ihren Träumen.

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Seit drei Jahren leben Ibrahima und Jemima in der Landeshauptstadt. Anfangs in einer stationären Wohngruppe der Awo. Die Wohngemeinschaft soll ein Weg zu mehr Selbstständigkeit sein. Ein Weg zu einem neuen Leben.

Einem Leben in Deutschland, für das ihnen jedoch niemand eine Garantie geben kann. Denn auch Jemimas Aufenthalt in Deutschland ist vorerst begrenzt. Ihre Duldung läuft im März aus. Dann könnte es schon zurück nach Afrika gehen. Der Traum vom neuen Leben wäre ausgeträumt.

Dabei kämpft Jemima mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Nachdem sie im vergangenen Jahr die neunte Schulklasse abgeschlossen hatte, wollte sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin beginnen. Sieben Monate Praktikum hatte sie schon hinter sich und schnell gemerkt, der Beruf wäre das Richtige für sie. „Menschen helfen, das wollte ich schon immer“, sagt die 20-Jährige.

Da sie jedoch nur über eine Duldung verfügt, durfte sie keine Ausbildung antreten — obwohl sie zwei Zusagen auf ihre Bewerbungen bekommen hatte. Erst der ehemalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) konnte helfen, nachdem er Jemimas Geschichte hörte. „Er hat mir Mut gemacht und anschließend dafür gesorgt, dass das Ausländeramt mir eine Ausbildung erlaubt“, erzählt Jemima glücklich.

Momentan wird sie in Mettmann zur Altenpflegehelferin ausgebildet, anschließend soll Ausbildung zur Pflegerin folgen. Jemima weiß, dass der Kampf sich bisher gelohnt hat. Ihr Traum scheint zum Greifen nah. „Es ist sehr anstrengend, aber die Arbeit macht Spaß.“

In der Wohngemeinschaft fühlen Ibrahima und Jemima sich wohl. Oft kochen sie gemeinsam. Dann kommen afrikanische Reisgerichte auf den Tisch. Das ist ein Stück Heimat, das vor allem Ibrahima vermisst. Ebenso der guineische Gesprächskreis, zu dem er einmal im Monat geht.

Jeden Tag, sagt Ibrahima, denkt er an seine Mutter. Und dennoch hat er riesige Angst vor der Abschiebung. „Oft sitze ich im Unterricht, der Lehrer redet, aber ich kann mich einfach nicht konzentrieren.“ Er weiß: Von jetzt auf gleich könnte sein Traum wie eine Seifenblase zerplatzen.