Lehrling des Monats: Der Super-Azubi aus Afghanistan
Als er in Deutschland ankam, hatte Saber kaum die Schule besucht. Jetzt ist er Lehrling des Monats.
Düsseldorf. Mit der großen Urkunde, die Kammerpräsident Andreas Ehlert ihm überreicht, weiß Muhammad Saber Auriakhil erst einmal nicht so viel anzufangen. Der 20-jährige Afghane fühlt sich mit seinem Werkzeug sichtlich wohler, als so im Mittelpunkt zu stehen. Was die Urkunde bedeutet, weiß er aber: Er wurde von Handwerkskammer und Kreishandwerkerschaft Düsseldorf zum Lehrling des Monats Oktober gekürt. Zwölf Mal im Jahr werden Auszubildende ausgezeichnet, die sich durch besonderes Geschick, Verantwortungsbewusstsein oder Bemühungen hervorgetan haben. Und das kann man von Saber, wie ihn die Kollegen nennen, definitiv behaupten.
Denn vor vier Jahren sah sein Leben noch anders aus. Als Hilfsarbeiter arbeitete der damals 16-Jährige in Kunduz für die US-Streitkräfte. Das sorgte für Ärger mit den Taliban. Aus Angst floh die Familie nach Pakistan, den Weg nach Europa machte Saber alleine. Es war nur Geld für eine Flucht da.
Anfang 2014 kam er in Neuss an und wurde in der Unterkunft an der Kölner Straße in Düsseldorf untergebracht. Er begann, Deutsch zu lernen, irgendwann war er bereit für die Schule. „Saber war quasi Analphabet“, sagt Alexander Konrad, Sprecher der Handwerkskammer. „Zu Hause war die Schule vielleicht ein oder zwei Wochen im Monat geöffnet. Dann wieder ein paar Monate gar nicht“, sagt Saber. In Deutschland machte er den Hauptschulabschluss; anfangs im Zweierzimmer in der Flüchtlingsunterkunft hatte er noch nicht mal einen Schreibtisch, doch er blieb dran. Bei einem Praktikum in einem Kälteanlagen-Betrieb sammelte er Berufserfahrung. „Das hat mir direkt gut gefallen“, sagt er. Bei einem Berufsorientierungstag im Franz-Jürgens-Kolleg, in dem er zur Schule ging, lernte er Christian Klemm, den Inhaber der Firma Niepmann kennen — ein Praktikum, eine Bewerbung: Der Weg in die Ausbildung zum Anlagenmechaniker war geebnet.
Doch was einfach klingt, war es nicht. Denn zunächst war Sabers Aufenthaltsstatus noch ungeklärt — das änderte sich erst mit dem Ausbildungsvertrag. Auch eine Wohnung konnte er nicht finden. „Sein besonderer Name hat das nicht einfacher gemacht“, formuliert Anita Willem von der Jugendberufshilfe vorsichtig. Sie hilft Menschen wie Saber bei organisatorischen Dingen, so dass sie sich auf die Ausbildung konzentrieren können. „Aber er war optimistisch, immer mit einem Lächeln im Gesicht. Das habe ich bewundert.“ Auch sein Ausbilder Christian Klemm hat ihn unterstützt: eine Wohnung für ihn angemietet, bei Verständnisproblemen mal etwas mehr erklärt. Umso stolzer ist er jetzt: „Saber macht sich richtig gut. Wir sind sehr zufrieden mit ihm.“
Für den Lehrling des Monats können die Betriebe im Bezirk Auszubildende vorschlagen. Die Lehrlingswarte entscheiden gemeinsam, wer ausgezeichnet werden soll. Bei Saber war ausschlaggebend, dass er trotz vieler Hindernisse drangeblieben ist. „Er hat viel Leidenschaft, Mut und Bereitschaft gezeigt“, sagt Konrad.
Seine Eltern hat Saber seit dreieinhalb Jahren nicht mehr gesehen — sie leben noch in Pakistan. Am Telefon hat er ihnen aber von der Auszeichnung erzählt. „Die haben sich richtig gefreut“, sagt Saber. Und wollten natürlich, dass er ein Foto von der Urkunde schickt.