Hallo Frau Gräve, wir haben uns auf die Minute genau getroffen. Sind die Niederländer ähnlich pünktlich wie wir?
Interview Elisa Gräve „Mein Kindheitstraum ist wahr geworden“
Düsseldorf · Die 27-Jährige wechselte 2023 vom DHC zu OR Eindhoven. Hier spricht sie über das Glück, im Land des Hockey-Weltmeisters zu spielen.
Richard Thomsen
führte das Gespräch
Elisa Gräve: Auf jeden Fall. Die Mitspielerinnen bei Oranje-Rood sind immer mindestens zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit am Treffpunkt, um gemeinsam mit dem Training zu beginnen.
Seit wann verfolgt Sie der Wunsch, in den Niederlanden Hockey zu spielen?
Gräve: Ich bin schon als kleines Mädchen oft mit meinen Eltern nach Holland gefahren. Da habe ich gesehen, wie hockeyverrückt die breite Bevölkerung ist. Und wie viele Menschen sich dort den Vereinen anschließen. Die Sportanlagen umfassen bis zu einem Dutzend Spielfelder. Das ist mit deutschen Verhältnissen nicht vergleichbar. „Wie toll wäre es, hier einmal zu spielen“, habe ich mir bereits damals gedacht. Bei einer Weltmeisterschaft, die ich mit meinen Eltern in einem riesigen Amsterdamer Fußballstadion verfolgte, ist der Funken dann endgültig übergesprungen. Und der Traum der kleinen Elli ist schließlich wahr geworden.
Wie nimmt die große Elli den Traum der kleinen Elli jetzt wahr? Sind die Erwartungen eingetroffen oder wie eine Seifenblase zerplatzt?
Gräve: Es ist so, wie ich es mir erhofft hatte. Die großen Tribünen sind meist rappelvoll, die Begeisterung entsprechend. Das ist ansteckend.
Gab es Überraschungen?
Gräve: Ja, die hohe Professionalität, nicht nur in den Topteams. Die Frauen von Oranje-Rood Eindhoven sind in der vorletzten Saison wieder in die Hoofdklasse, die höchste niederländische Liga, aufgestiegen. Dementsprechend war das Ziel der Klassenerhalt, was uns auch gelungen ist. Obwohl wir nicht um die Krone spielen, ist der Aufwand immens. Das macht aber auch sehr viel Spaß, weil die Mädels bei aller Professionalität total herzlich sind und mich sehr nett aufgenommen haben.
Wie kam es vor rund einem Jahr zu dem Wechsel?
Gräve: Der DHC hatte ein Testspiel gegen Oranje-Rood. Nach dem Spiel hat mich der Trainer angesprochen. Damals passte es noch nicht in meine Pläne, ein Jahr später habe ich zugesagt, weil meine Lebenssituation den Wechsel schließlich zuließ.
Es scheint Ihnen bei den Orange-Roten zu gefallen.
Gräve: Exakt. Es macht mir großen Spaß, auch wegen der vielen neuen Reize. Wobei der Anfang nicht immer leicht war. Ich bin ein Kind des DHC und hatte nie in einem anderen Klub gespielt. Nach der Saison habe ich nun das Gefühl, in Eindhoven angekommen zu sein. Das möchte ich noch ein Jahr genießen.
Beim DHC waren Sie eine feste Größe. Wie fühlte es sich an, in eine neue Rolle zu wachsen?
Gräve: Bei den ersten Trainingseinheiten war ich total aufgeregt. Vorfreude und Nervosität wechselten sich ab. Ich sprach kein Niederländisch, sodass die Kommunikation eingeschränkt war. Nach einer gewissen Zeit stellte sich heraus, dass ich mit meiner Art zu spielen dem Team am meisten helfen konnte. Mit der Zeit wuchs das Selbstvertrauen, meine Erfahrungen ins Spiel einzubringen und zu vermitteln, etwa was die Vorzüge des deutschen Verteidigens betrifft.
Was hat Sie
sportlich bereichert?
Gräve: Die offensive Art. Das niederländische Spiel ist extrem auf den Angriff fokussiert. Es geht um schnelle Umschaltmomente, schnelles Passspiel und Antizipation. Und das Spiel ist sehr athletisch. Das bedeutete eine Umstellung für mich, passt aber gut zu meinem Spielstil.
Beim DHC und in der Nationalmannschaft haben Sie meist im Sturm gespielt, hier und da aber auch auf der defensiveren rechten Außenbahn. Welche Rolle fällt
Ihnen in Eindhoven zu?
Gräve: Ich spiele im rechten Mittelfeld und im Sturm, je nachdem, wie die personelle Lage und die taktische Ausrichtung ist.
Sie sind externe Promotionsstudentin im Fach Psychologie an der Uni Düsseldorf. Wie passt das mit Hockey zusammen?
Gräve: Ich werde optimal von der Uni Düsseldorf und von meinem Professor unterstützt. Er findet meine Entscheidung, in den Niederlanden Hockey zu spielen, super. Räumlich und zeitlich bin ich flexibel. Vormittags arbeite ich, nachmittags fahre ich von Düsseldorf zum Training nach Eindhoven. Hätte ich diese Unterstützung nicht, würde das Ganze nicht hinhauen.
Bei der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft haben Sie die Frauen des DHC mit den anderen Fans leidenschaftlich angefeuert. Das hat sich gelohnt. Der DHC wurde erneut Deutscher Meister. Hängt ihr Herz noch am DHC?
Gräve: Ja, klar. Ich bin schließlich im Verein aufgewachsen. Ich habe dort viele tolle Momente erlebt und viele Erfolge gefeiert. Ich bin ja nicht gewechselt, weil ich mich nicht mehr wohlgefühlt habe, sondern weil ich selbst noch mal ein kleines Abenteuer erleben wollte. Ich werde voraussichtlich Ende dieses Jahres wieder für den DHC in der Halle spielen.