Millionen-Betrug gibt’s jetzt als Roman
In „Nie wieder arm“ wird der Krimi um Ex-Henkel-Mann Kai von Bargen erzählt, der nach irren Betrügereien 2010 im Knast landete.
Düsseldorf. Warum dieses Buch entstanden ist, können Autor Wolfgang Frings und seine Hauptfigur Kai von Bargen nicht recht sagen. Sie erklären lieber, warum es nicht geschrieben wurde: „Ich habe ihm direkt gesagt: Du kriegst keine Heldengeschichte“, erzählt Frings am Donnerstag bei der Vorstellung seines Romans. Und von Bargen beteuert: „Als meine Frau ein Vorabexemplar gelesen hat, sagte sie: Da kommst du aber nicht gut weg.“
Nun, das kommt auf die Lesart an. Denn für einen zu Haft verurteilten Betrüger, einen Dampfplauderer und Selbstverkäufer ersten Ranges, der ein paar Jahre lang in Saus und Braus lebte und sich in immer abstruseren Millionendeals verhedderte, kommt von Bargen eigentlich ganz gut weg. Warum auch nicht? Er hat seine Strafe ja verbüßt. Und unsympathisch ist er auch nicht (mehr). Auch wenn er immer noch sehr viel und sehr schnell redet und hippe blaue Turnschuhe zum Anzug trägt.
Sein Fall machte im Herbst 2009 Schlagzeilen in Düsseldorf und darüber hinaus. Kai von Bargen, heute 48, früher Chef von Antenne Düsseldorf, dann Presse- und PR-Chef bei Henkel, gerät 2007 just in dem Moment an den aalglatten Hochstapler Willy Luchs, als er finanziell in der Klemme ist. Er hat sich mit einem Haus übernommen, vor allem aber will das Finanzamt ganz plötzlich und schnell 75 000 Euro Steuernachzahlung von ihm. Von Bargen bittet Luchs um Hilfe. Und der gewährt sie — in Form einer Finanzblase, die so lange wächst, bis sie platzt. Zusammen mit dem dritten im Bunde, Thomas H., werden immer größere Forderungen gegen den Henkel-Konzern erfunden (von Bargen verbürgte seine angebliche Vollmacht mit gefälschten Unterschriften) und weiterverkauft. 45 Millionen Euro ergaunert man mit dem Schneeballsystem. Dann ufert die Betrügerei vollkommen aus, als man vorgaukelt, Henkel wolle den Formel 1-Rennstall Ross Brawn sponsern — mit 90 Millionen Euro. Eine köstliche Szene muss das gewesen sein, als von Bargen und Luchs die Formel 1-Manager in der Holthausener Henkel-Zentrale empfingen und den Deal bei Schnittchen und Weißwein am Vorstand vorbei ausbaldowern. Doch dann kauft Mercedes das Team Brawn — fragt aber deshalb bei Henkel nach, per Telefon, von Chef Zetsche zu Chef Rorstedt. Der natürlich von nichts weiß. Von Bargen zieht die Notbremse und erstattet — freilich auf dringendes Anraten seines Anwalts — Selbstanzeige.
Diese Geschichte also hat Ex-WDR-Mann Frings fast eins zu eins in einen Roman gegossen. Von Bargen taucht da als einziger mit echtem Namen auf, viele andere bekannte Düsseldorfer bekommen mehr oder weniger originelle Tarnnamen (Henkel heißt z.B. White, ein OB Ernst und seine Büroleiterin Bissich spielen auch mit). Problematisch ist das Buch nicht, weil hier womöglich jemand versucht, aus Verbrechen Profit zu schlagen. Dafür ist das Schriftsteller-Honorar heutzutage zu karg und bei von Bargen wird eh alles weggepfändet, er befindet sich in der Privatinsolvenz. Sondern weil es zwar flüssig geschrieben ist, aber zu langatmig. Da ist die Realität mal spannender als die Romanversion. Zweitens missachtet Journalist Frings eine Grundtugend seines Berufsstandes — die Wahrung von genügend Distanz. Gewiss, ab und an werden von Bargens Großsprech, Geltungssucht und Protzauto-Vorliebe auf die Schippe genommen: Meist indes geht der Autor sehr wohlwollend mit seiner Hauptperson um, die schlaflose Nächte wegen des so schlechten Gewissens gehabt habe. Nicht umsonst ist von Bargen Frings, der sich im Roman Amadeus Severin nennt, so dankbar, dass er sich den Namen des Freundes auf den Unterarm tätowieren ließ.
Dafür bekommen andere ihr Fett weg, vor allem die böse Journalistenmeute, die den Ex-Kollegen besessen jagte (bei der Buchvorstellung war die Presse allerdings wieder sehr willkommen), klischeehaft auch die Klage über falsche Freunde, die den Kai fallen ließen. Und immer wieder im Fokus der Anklage: Willy Luchs (im Buch Fuchs), der von Bargen erst in alles reingezogen habe. Brings und von Bargen glauben nicht einmal, dass der Schuft wirklich an Krebs gestorben ist: „Der fälscht auch seinen Totenschein.“
Kai von Bargen lebt nach den harten Jahren im Gefängnis („Eingesperrt zu sein, ist eine echt harte Strafe“) jetzt auf eher kleinem Fuße: „PR, Medien, Events — ich versuche als freier Mitarbeiter wieder reinzukommen“, sagt er. Die Fahrten mit dem Ferrari oder Aston Martin vermisst er nicht: „Gehört haben die mir ja eh nie, sie waren immer nur für mich geleast.“