Boulevardtheater Organspende als Komödienstoff
Gelungener Spagat zwischen Ernst und Komik im Theater an der Kö.
„Wer spendet mir eine Niere?“ Es ist weniger eine Frage, die Kathrin nur nervös macht, sondern eher ein Hilferuf. Direkt und unverblümt. Kein Wunder, dass sich die flotte Mittdreißigerin in ihrer Stress-Attacke zuerst an ihren Mann wendet. Denn auf eine Spenderniere wartet man, so ihr Arzt, sechs Jahre. Arnold – ein Stararchitekt, der, wie wir später erfahren, eine Affäre mit einer russischen Künstlerin unterhält — ist wenig begeistert von der Idee, seiner besseren Hälfte eine seiner Nieren zu spenden. Mehr noch: Arnold gerät in Panik, zappelt und zaudert herum. Dass er nicht sofort zustimmt, verletzt seine Frau tief.
So hängt gleich zu Beginn des Stücks „Die Niere“ der Haussegen schief in der schicken Designer-Wohnung. Ernst ist das Thema, das Autor Stefan Vögel in seiner neuen Bühnenkreation in ein heiteres, satirisches Gewand kleidet. Mutig und riskant die Entscheidung, ein solch heikles, gewichtiges Sujet, bei dem niemand zum Lachen zumute ist, in einem Boulevard-Theater herauszubringen. Doch nach der Premiere im Theater an der Kö wurde jetzt die atmosphärisch dichte Inszenierung von Ute Willing herzlich gefeiert. Zurecht; denn die (TV-bekannte) Darstellerin und Regisseurin liefert nicht nur einen punkt-, typen und pointengenauen Theaterabend, sondern ihr und den vier Darstellern gelingt der Spagat zwischen Ernst und Komik.
Zumal Willing in puncto Besetzung eine sichere Hand zeigt. Für TV-Promiquote sorgen die beiden Hauptdarsteller: Der fesche Hardy Krüger Junior mit frisch trainiertem Bizeps überzeugt als selbstverliebter Architekt und Fremdgeher Arnold, der stolz sein neues Projekt – ein Turm mit 26 Etagen – als Modell vorstellt. Und emotional ins Schwimmen gerät. Lara-Joy Körner (Tochter von Diana Körner) indes mimt die leicht unterkühlte, smarte, selbstbewusste Ehefrau, die mit der Nierentransplantation ihren Mann auf die Probe stellen will. Da sich Arnold nach allen Regeln der Kunst windet und darauf besteht, sich eine Operation erst einmal überlegen zu wollen, kommt es zu komischen Situationen, die beide Schauspieler auskosten. Schnell wird klar, dass die Nieren-OP nur Vorwand dafür ist, den in der Luft liegenden Beziehungskonflikt auszufechten.
Auch ihre Freunde Diana (Katharina Paul) und Götz (Urs Schleiff) – überzeugen als temporeiche Gegenspieler. Nichtsahnend kommen sie zum Dinner, sollen den neuen Bau-Auftrag mitfeiern, geraten indes mitten in einen Ehekrach. Klar, dass es zu allerlei Verwirrungen kommt, da unfreiwillig diverse Seitensprünge aufgedeckt werden. Aber auch der Nebenschauplatz – das Hochhaus-Modell – wird komödiantisch und zotig ausgeschlachtet. Phallusanspielungen inklusive. Na ja. Ob Hochhaus-Architekten Probleme mit ihrer Sexualität haben? Ein sonst gelungener Boulevard-Abend scheint ohne diese Witzchen nicht auszukommen.