NRW Forum Pizza-Ausstellung: Der Verriss als Interview

Unser Autor hat am Eröffnungsabend die Schau „Pizza is god“ im NRW-Forum besucht, und sie hat ihm nicht gefallen. Statt eine kritische Rezension zu schreiben, hat er sich mit Museumschef Alain Bieber in der Ausstellung getroffen und darüber diskutiert.

Foto: NRW-Forum Düsseldorf / Foto B. Babic

Ich war im Februar hier und habe mich über die Ausstellung geärgert. Ich wollte aber keinen bloßen Verriss schreiben, deshalb habe ich Sie jetzt gefragt, ob wir uns hier treffen können.

Alain Bieber: Wenn die Ausstellung Sie zweieinhalb Monate nicht losgelassen hat, können wir nicht alles falsch gemacht haben. Das muss man erstmal schaffen. Aber was hat Sie konkret geärgert?

Ich hatte den Eindruck, dass da mal die Idee aufkam, man könne sich mit der Pizza in der Kunst beschäftigen, aber nicht genug Werke gefunden wurden, um eine vernünftige Ausstellung daraus zu machen, man diese aber trotzdem gemacht hat.

Bieber: Da kann ich Sie beruhigen. Wir haben hier sogar mehrere Generationen von Künstlern, die sich mit Pizza beschäftigen. Andernfalls hätten wir die Ausstellung nicht gemacht. Es muss eine Geschichte der Beschäftigung geben, sonst macht das keinen Sinn. Die Kuratoren haben sich mehrere Jahre mit dem Thema beschäftigt und recherchiert. Bei einzelnen Werken haben wir Monate gesucht, und es war ein enormer Aufwand, sie nach Düsseldorf zu holen.

Das zweite, was mir damals aufgefallen ist: dass die Exponate mit sehr viel Luft dazwischen ausgestellt sind. Das sieht aus, als sei der Raum zu groß für das, was Sie zeigen wollen.

Bieber: Sie dürfen nicht vergessen, dass zwei Künstler die Ausstellung kuratiert haben. Die machen das natürlich anders als normale Kuratoren. Die sind das nicht didaktisch angegangen, die wollten den trivialen Alltagsgegenstand weiter überhöhen, in dem sie ihn noch mehr exponieren. Das ist eine Provokation.

(Alain Bieber ist Leiter des NRW-Forums. Foto: David Young)

Das verstehe ich. Aber wenn es bei der bloßen Provokation bleibt, steht am Ende doch die Enttäuschung, weil man nur mit der Provokation nach Hause geht.

Bieber: Das ist bei Witzen immer so. Versteht man sie? Muss man dabei gewesen sein, um sie zu verstehen?

Okay, dann machen wir etwas Schlimmes: Erklären Sie mir den Witz.

Bieber: Nehmen Sie den Pizzakarton da in der Ecke. Das ist zunächst mal trivial, es ist aber auch eine Anspielung auf Beuys und die Fettecke. Und es ist verbunden mit der Bronze einer Pizza-Pappe, die wir draußen vor dem Museum neben dem Mülleimer platziert haben. Oder nehmen Sie die monochrome Malerei auf Pizza-Kartons. Das ist eine wunderbare Provokation, und das Absurde ist, dass das richtig teure Arbeiten sind.

Ich fühle mich immer noch leer.

Bieber: Wir haben ein Buch zur Ausstellung gemacht, darin finden Sie eine Menge Artikel von Wissenschaftlern, Journalisten, Politologen. Da wird zum Beispiel den Pizza-Effekt beschrieben. Wenn ein Italiener in die USA geht, dort Pizza backt und dann nach Italien zurückkehrt, schmeckt seine Pizza anders.

So was gefällt mir. Warum finde ich das nicht in der Ausstellung?

Bieber: Wir wollen das Ganze möglichst zugänglich gestalten. Es gibt Ausstellungen, da müssen Sie mindestens drei Bücher Sekundärliteratur und die Biografie des Künstlers gelesen haben, um das einigermaßen zu verstehen. Das ist mir zu elitär. Es ist mir wichtig, dass wir keine Antworten liefern, sondern lose Stränge, die es schaffen, bei den Besuchern Assoziationsketten zu aktivieren. Wie Duchamps gesagt hat: Der Besucher vollendet das Werk.

Bei der Biennale in Venedig gab es einen Pizza-Pavillon, in dem Pizzen nach Entwürfen von Künstlern gebacken wurden. Das verstehe ich noch, das macht in einem größeren Kontext Sinn.

Bieber: Dazu muss ich zwei Dinge sagen. Zum einen: Diese Pizzen werden parallel zu unserer Ausstellung in der Pizzeria Maurizio in Derendorf auch gebacken. Und: An dieser Stelle muss ich mir die Kritik tatsächlich gefallen lassen.

Oh, warum?

Bieber: Weil eine einzelne Provokation in einem großen Kontext anders wirkt, als viele Provokationen in einem Raum.

Ist das nicht die Gefahr bei Ihrer Arbeit, dass Sie mit der Selfie-Ausstellung, der Böhmermann-Schau und jetzt der Pizza zu sehr zum Spaß-Tempel werden?

Bieber: Ich finde, der Kunstbetrieb nimmt sich zu ernst, und bin froh, dass das NRW-Forum eine Überraschungstüte bleibt. Wir gehen dahin, wo nie zuvor ein Museum gewesen ist. Wir sind kein Spaß-Museum, aber es ist völlig okay, auch im Museum mal zu lachen. Ich kann Sie da beruhigen: Im Herbst machen wir etwas schön Düsteres, zu Verschwörungstheorien.

Das könnte mir gefallen.

Bieber: Sehen Sie.