Porträt: Der Spaßmacher im Leitstand
Zdenko Kiss macht die legendären Ansagen im Bahnhof an der Arena.
Düsseldorf. Graue Haare, Brille, ein warmes und doch schelmisches Lächeln. So sieht der Mann aus, der bei Fortuna-Spielen und Konzerten die eintreffenden Fans am Arena-Bahnhof mit lockeren Sprüchen und unvergleichlich sympathischem, österreichischem Akzent begrüßt. Beim Spiel gegen Aachen am Montag wird er sich noch schonen und nicht arbeiten — am Samstag aber, wenn Wladimir Klitschko auf Jean Marc Mormeck trifft, will der Spaßmacher wieder in seinen Ring hoch über den Gleisen steigen. Ein Besuch beim legendären Rheinbahn-Ansager Zdenko Kiss in seinem gläsernen Leitstand:
Ein bisschen wirkt der Leitstand wie die gepanzerte Kommandozentrale eines Kriegsschiffes. Überall sind Monitore, auf denen sich nicht entzifferbare Grafiken bewegen, mit grünen, gelben und roten Pfeilen. Hier werden die einfahrenden Züge erfasst und navigiert, Kameras zeigen den Verkehrsmeistern, was auf den Gleisen passiert. Einer von ihnen ist Zdenko Kiss. „Ich bin ja nicht hauptberuflich Spaßvogel“, sagt er und wirft den Kopf lachend in den Nacken.
Längst sind seine Lautsprecherdurchsagen im Arena-Bahnhof Kult — und für viele gehören sie einfach dazu. Vor Konzerten recherchiert Kiss die größten Hits der Musiker und beschallt die Fans damit. „Bei einem Konzert von Madonna habe ich die eintreffenden Fans mit „Like a Virgin“ begrüßt. Ja, ich habe gesungen“, sagt er lachend. Bei Fortuna-Spielen hält er sein kleines Mikro an einen CD-Player und spielt die größten Fan-Hits. Einige freche Sprüche könne er sich dabei aber nicht verkneifen, zum Beispiel wenn er den gegnerischen Fans schon vor dem Spiel zuruft: „Sorry, ihr werdet heute traurig nach Hause gehen“, sagt Kiss.
Gerne erzählt der 51-Jährige von seinen schönsten Erlebnissen. Etwa davon, wie ihn während des ESC eine Gruppe spanischer Fans im Turm besucht hat. „Die haben mir von unten zugewunken. Eine Ausnahme, aber eine Riesen-Party“, sagt er und blickt verträumt auf die Gleise. Hunderte Zuschriften hat die Rheinbahn nach dem ESC bekommen. „Darin werde ich für meinen Witz gelobt, und dass ich die Fans immer je nach Flagge landestypisch begrüßt habe.“ Ein bisschen schmeichele ihm die Aufmerksamkeit. „Klar freut man sich, wenn man anderen eine Freude macht. Aber ich bin kein Star“, meint er.
In den drei Jahren als Ansager hat Kiss sich auch das ein oder andere Mal verhaspelt. So begrüßte er etwa die Dortmund-Fans beim Spiel gegen Fortuna mit „Willkommen in der Landeshauptstadt München.“ Später berichtigte er das. „Ach, die Fans verzeihen es mir, vor allem wenn ich sage, ich sei von all der Vorfreude total vernebelt.“
Vielleicht passieren solche kleinen Versprecher, weil Kiss irgendwann müde wird — bis zu 15 Mal in der Stunde greift er nämlich zum Lautsprecher und „macht Stimmung“, wie er sagt. Vielleicht sind sie auch Überbleibsel aus seiner Vergangenheit, denn der gebürtige Kroate — später lebte er in Österreich — hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf: In den späten 70er Jahren war er professioneller DJ und kam viel herum, auch nach München. „Ich war jung, es war eine echte Karriere und ich war gut.“
Gut muss er auch heute sein, denn auf Firmenfeiern der Rheinbahn steht er stets am Mischpult. „Der DJ ist einfach in mir drin, deshalb sind die Durchsagen meine Leidenschaft“, sagt er. Seine Frau habe ihn damals überredet, „einen anständigen Beruf zu ergreifen.“ Kiss wurde erst Bahnfahrer und später Verkehrsmeister. „Das war eine gute Entscheidung, ich hatte zwei Karrieren in meinem Leben. Heute bin ich glücklich.“
Dabei sei sich Kiss seiner Rolle bei Fußballspielen bewusst: Wenn gegnerische Fans aufeinandertreffen und Alkohol im Spiel ist sei Fingerspitzengefühl gefragt. „Wenn man sie locker begrüßt, Witze macht und sie zum Eingang lotst, kann man Situationen entschärfen“, sagt er mit ernstem Blick. Kaum habe er negative Zwischenfälle erlebt. Wenn doch, habe er gesagt: „Jungs, hört auf, wir können doch über alles reden.“
„Bei einem Fußball-Spiel kochen die Emotionen fast über, ich drehe das Gas runter“, sagt er. Nach einem Spiel, das Fortuna verloren hat, hält sich Kiss aber zurück. „Ich tröste die Fans, dass es vielleicht beim nächsten Mal klappt. Witze kommen dann nicht so gut an — das hat man irgendwann im Gefühl.“