Saisonstart der Synfoniker mit Lyrik und Strawinsky

Die Film-Uraufführung gelang. „Sacre“ fehlte die Härte.

Düsseldorf. Skepsis war zunächst angebracht: Für die Konzertsaisoneröffnung der Düsseldorfer Symphoniker waren religiöse Orchesterlieder von Hugo Wolf (1860-1903) angekündigt, kombiniert mit einem Film, der eine zusätzliche Ausdrucksebene in die Darbietung von Sänger und Orchester einbauen sollte. Würden die Leinwandbilder nicht die persönlichen Imaginationen überlagern, die man sich beim Hören vertonter Lyrik macht?

Die Uraufführung des Projekts „Irrsal“ am Freitagabend in der Tonhalle zeigte aber auf feinsinnige Weise, dass die Fantasie des Hörers eher weiter beflügelt als beschnitten wird. Der Besucher sieht einen Tonfilm, in dem praktisch nicht gesprochen wird, Geräusche aber vorkommen. Die Handlung: Ein katholischer Geistlicher im grünen Umland von Wien verliebt sich in eine Frau und gerät also in Konflikt mit dem Zölibat. Auf symbolhaft stilisierte Weise passen die 14 Kurzszenen zu den 14 Stationen des Kreuzwegs Christi.

Der Hauptdarsteller, Dietrich Henschel, ist zugleich Gesangssolist des Abends. Mit schlankem, geschmeidigem Bariton, der auch zu seiner filigran sportlichen Statur passt, singt er die Lieder nach Gedichten des evangelischen Pfarrers Eduard Mörike (1804-1875). In den von Wolf so unendlich fein und psychologisch tief vertonten Texten geht es mal um das Jesuskind, dann um den erwachsenen Märtyrer, aber auch um die euphorische Begrüßung des Frühlings. Die österreichischen Landschaftsbilder, die Regisseurin Clara Pons filmte, passen zur Stimmung der Musik nicht nur zufällig: Es ist Hugo Wolfs Heimat.

Symbolwert besitzt derweil die Dreiteiligkeit der Filmprojizierung, die den klassischen Proportionen eines Altar-Triptychons ähnelt. Auf dezente Weise wird hier nun die Seelennot eines jungen Priesters in Film und Lied erfahrbar gemacht, eine Kunst, die beim Publikum viele Beifallsbekundungen fand.

Auf die Opferung des Liebeslebens durch das Christentum folgt mit Strawinskys „Sacre du Printemps“ die Opferung eines jungen Menschenlebens durch heidnischen Kult. Die von Andrey Boreyko geleiteten Symphoniker spielten das gewaltig hämmernde Werk über ein barbarisches Weiheopfer auffallend nuanciert, fast zeremoniell getragen. Das klingt zwar gut, lässt aber auch etwas die gebotene Härte vermissen.