Konzert Teufelsgeiger Nemanja Radulovic wird in der Tonhalle gefeiert
Düsseldorf · Der serbische Geiger Nemanja Radulovic begeisterte in der Tonhalle. Und erinnerte an einen prominenten Kollegen.
Nemanja Radulovic könnte glatt als die serbische Antwort auf David Garrett durchgehen: Die volle, glänzende Lockenpracht zu einem Pferdeschwanz gebunden, Zweitagebart, Schnauzbärtchen, hauteng sind Shirt und schwarzer Anzug. Poppig, flippig. Besonders das weibliche Publikum ist begeistert, wenn der grazile 34-Jährige in androgynem Look die Tonhallen-Bühne betritt und beim Abokonzert („Sternzeichen“) loslegt.
Mit Affenzahn. Der Exzentriker beugt sich über seine Geige, spielt die rasanten Akkordketten so schnell wie möglich, geht in die Knie und wirft seine dichten Haare mit Schwung zurück. Wie ein Teufelsgeiger aus dem Bilderbuch. Radulovic weiß, wie Garrett, was gefällt und ein breites Klassikpublikum anspricht. Vielleicht wählte er deshalb für sein Düsseldorf-Debüt das Violinkonzert von Aram Khatschaturian, in dem es zumindest in Sachen Tempo zur Sache geht und richtig schön knallt. Und er wurde gefeiert in der ausverkauften Tonhalle (wie auch Garrett!) mit Johlen und stehenden Ovationen. Ganz glücklich waren einige, dass sie in der Pause auch noch seine neue CD ergattern konnten.
Das Werk fordert an vielen
Stellen wilde Virtuosität
Die Performance passt exzellent in unsere Zeit und zum Klassikmarkt, auf dem sich Namen von Talenten schnell verbrauchen. Seine Interpretation? Nun ja. Khatschaturians d-Moll-Opus von 1940 spiegelt die Ära des sozialistischen Realismus, wurde gar 1941 mit dem Stalin-Preis belohnt. Die Partitur klingt schwierig und fordert in den schnellen Passagen – mit Anlehnungen an georgische und armenische Folklore – wilde Virtuosität. Aber im Andante einen weichen, weiten Bogen, dunkle Farben und nachhaltige Lyrismen. Auf beides versteht sich Radulovic – sowohl im düsteren Walzer, als auch in den Steigerungen, lautstarken Marsch-Rhythmen und Tschingderassabum. Man denkt unwillkürlich an Militär-Paraden auf Moskaus Rotem Platz. Genüsslich und kantig gespielt von den Symphonikern unter Alexandre Bloch. Ebenso beleuchten sie die Seelenblähungen des armenischen Tondichters. Viel Lärm und Knalleffekte, aber wenig tiefe Emotionen.
Welch Wohltat dagegen Tschaikowskis „Pathétique“ im zweiten Teil. Hier lebt sich die russische Seele des späten 19. Jahrhunderts aus. In vollen Zügen, mit viel persönlicher Trauer des Komponisten, aber auch mit Weltschmelz. Zumal im finalen Adagio Lamentoso, in dem Bloch – wie üblich mit bebendem, federndem Oberkörper und bohrenden Taktstock-Bewegungen – den Sinfonikern extreme Spannung und Intensität abringt, die sich auf Tonhallen-Besucher überträgt. Engagiert und voller Leidenschaft beleuchtet der „Principal guest conductor“ aus Paris die vielen Facetten dieses großen Werks. Straffe Akkorde, präzise Einsätze, die besonders im ausladenden Streicher-Apparat genau befolgt werden und somit die Musik wie eine Klang-Skulptur im Raum stehen lassen. Insgesamt führt Bloch aufflackernde Hoffnung und innere Kämpfe des Komponisten vor Ohren – genauso wie die Erschütterung, die, wie in einem Requiem, in Stille endet. Kein Wunder, dass Zeitgenossen, wie auch der Zar, von Tschaikowskis sechster Symphonie tief bewegt waren, aber auch ratlos – darüber, ob es nun eine Symphonie oder ein Requiem war. Bloch und die Sinfoniker bieten beides. Und zwar auf ziemlich hohem Niveau.
Weitere Termine: Heute, 20 Uhr, Tonhalle. Es gibt nur noch wenige Restkarten. Telefon: 899 6123.