Düsseldorf Verurteilte IS-Helferin: Die Wandlung der Karolina R.
Ihr Mann zieht mit der Kalaschnikow in den Dschihad und posiert in Syrien triumphierend vor einem Leichenberg. In der Heimat in Bonn sammelt seine Ehefrau Geld für ihn und seine Glaubensbrüder vom Islamischen Staat. Ärger gibt es nur wegen der Zweitfrauen.
Düsseldorf (dpa). Unter ihrem schwarzen Ganzkörpergewand ist die 26-Jährige nur zu erahnen. Eine schemenhafte Gestalt hinter Panzerglas im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts in Düsseldorf. Als der Senat eintritt, nimmt Karolina R. den Gesichtsschleier ab. Die junge Frau ist blass.
Die Deutsch-Polin stammt aus einer gläubigen katholischen Familie, Religion war eines ihrer Abiturfächer, berichtet die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza. Doch am Mittwoch wird die Mutter eines kleinen Sohnes als Unterstützerin der grausamsten Terrorgruppe der Welt verurteilt: Als Helferin des Islamischen Staats erhält sie eine Strafe von drei Jahren und neun Monaten Haft.
Mehr als 5000 Euro hat sie dem IS beschafft, befindet das Gericht. Insgesamt schickt sie zwar 11 000 Euro, aber man hält ihr zu Gute, dass sie womöglich zunächst nicht genau wusste, wer Empfänger des Geldes ist.
Vor 2010 war sie in Bonn und Köln nachts in Clubs unterwegs, „westlich modern gekleidet“, sie trank Alkohol und rauchte. Doch im Jahr 2010 beginnt die Wandlung der Karolina R. zur Islamistin. In einer Bonner Moschee wird ihr Fared S. als Ehemann vermittelt. Beide heiraten nach islamischem Recht. Bei ihrer Ausbildung zur Erzieherin fällt sie durch Unzuverlässigkeit auf, sie bricht schließlich ab.
Karolina R. darf ihre Eltern nicht mehr besuchen, sie darf nicht ins Schwimmbad und muss ihren Mann um Erlaubnis fragen, wenn sie die vom Sozialamt bezahlte Wohnung verlassen möchte. Auch den Umgang mit ihren Freundinnen schränkt der gebieterische Gatte ein. Bald hat Karolina R. nur noch Kontakt zu zwei Frauen.
Doch die Frau scheint das nicht zu stören, im Gegenteil. Sie radikalisiert sich ganz im Sinne ihres Mannes. Sie liest gewaltverherrlichende Schriften von Al-Kaida und der inzwischen verbotenen Organisation Millatu Ibrahim, berichtet Havliza.
Die Bonnerin identifiziert sich mit dem Gelesenen und dem Islamischen Staat, das belegen Chat-Protokolle: „Sie töten diejenigen, die getötet werden müssen. Sie ziehen es wenigstens durch“, schreibt sie einer Bekannten, als die den Blutrausch und die Gräueltaten des IS kritisiert.
Aber als ihr Mann Fared S. alias Abu Lukman al-Almani sich eine Zweitfrau nimmt, verweigert Karolina R. ihm die Gefolgschaft. „Eifersucht“, sagt Richterin Havliza. Sie setzt sich sogar durch: Die Ehe zur Zweitfrau wird nach nur einem Tag annulliert und die Nebenbuhlerin muss wieder ausziehen.
Im Mai 2012 bewirft ihr Mann Polizisten bei den Bonner Salafisten-Krawallen mit Steinen und wird zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er zieht schließlich nach Syrien, in den Dschihad. Karolina R. folgt, zumindest für einige Wochen, doch sie kehrt zurück.
Als ihr Mann in Gefangenschaft gerät, kümmert sie sich um seine Freilassung. Doch der IS-Terrorist mit der Kalaschnikow nimmt sich erneut eine Zweitfrau. Karolina R. will sofort zurück nach Syrien, als sie von der neuen Konkurrentin erfährt. Was ihr Ehemann in Syrien sonst so treibt, kann im Internet besichtigt werden: In einem Propagandavideo posiert er nahe Homs vor einem Leichenberg und ruft begeistert: „Wie ihr sehen könnt, haben wir geschlachtet.“